Prozeß gegen Anwar ohne Beobachter

■ Malaysisches Gericht läßt Diplomaten nicht als Beobachter zu

Kuala Lumpur (AFP/taz) – Zum Auftakt des Prozesses gegen den früheren malaysischen Vizepräsidenten Anwar Ibrahim hat es gestern der Vorsitzende Richter abgelehnt, Vertreter internationaler Menschenrechtsorganisationen als offizielle Beobachter zuzulassen. Mit der Begründung, eine internationale Überwachung des Verfahrens beeinträchtige seine verfassungsmäßigen Kompetenzen, verweigerte der Richter Menschenrechtlern und Diplomaten einen offiziellen Beobachterstatus.

Westliche Botschaftsangehörige, denen der Zugang zum Gerichtssaal verweigert worden war, drohten mit Beschwerden ihrer Regierungen bei den malaysischen Behörden. Unter den westlichen Diplomaten, die nicht in den Gerichtssaal vorgelassen wurden, waren Vertreter aus Frankreich, Großbritannien, Österreich und auch Deutschland. Ein Diplomat sagte, obgleich sie sich bereits um sechs Uhr morgens unter den ersten Zuschauern vor dem Gerichtsgebäude angestellt hätten, seien sie nicht in den Verhandlungsraum vorgelassen worden.

Vor dem schwerbewachten Gerichtsgebäude demonstrierten gestern 200 Anhänger Anwars und forderten seine Freilassung.

In dem gestern eröffneten Prozeß ist Anwar der Korruption in vier Fällen angeklagt. Er soll als Vizeregierungschef Polizisten angewiesen haben, Zeugen zur Rücknahme ihrer Aussagen zu bewegen, die ihn sexuellen Fehlverhaltens bezichtigt hatten. Anwar bezeichnet sich als unschuldig. Sein Anwalt beantragte gestern vergeblich die Einstellung des Verfahrens. Insgesamt liegen gegen Anwar zehn Korruptions- und Sexanklagen vor. Malaysias Premierminister Mahathir Mohamad hatte seinen früheren politischen Ziehsohn wegen angeblicher Korruption und sexueller Ausschweifungen am 2. September abgesetzt. Nach tagelangen Massenprotesten der Opposition gegen diese Entscheidung kam der ehemalige Vizeregierungschef zweieinhalb Wochen später in Haft. han