„Bildungspolitik geht ohne Sie“

GEW-Chefin Ammonn rechnet in einem offenen Brief mit Schulsenatorin Raab (SPD) ab. Eltern kritisieren neue Richtlinie  ■ Von Karin Flothmann

„Bildungspolitik geht nicht ohne die Beteiligten – aber ohne Sie. Mit freundlichen Grüßen, Anna Ammonn.“

Die Wortwahl der GEW-Chefin ist harsch und kompromißlos. In einem offenen Brief hat Ammonn gestern mit der Politik von Schulsenatorin Rosemarie Raab (SPD) abgerechnet. „Die schwierigen Bedingungen, unter denen an Schulen gelehrt und gelernt werden muß, ignorieren Sie vollends“, heißt es darin. „Sie scheinen Ihre Politik über Gängelung und zentrale Anordnungen durchpauken zu wollen.“ Statt zu erklären und zu vermitteln, „weisen Sie an, maßregeln, kritisieren, polarisieren“.

Vollends den Bogen überspannt habe die Senatorin mit ihrer „Richtlinie zur Vermeidung von Unterrichtsausfall“. Gesprächsangebote der GEW, bei denen die Lehrergewerkschaft befristete Lösungsvorschläge zur Überwindung der angespannten Haushaltslage unterbreiten wollte, habe Raab abgelehnt. Mit ihrer jetzt überarbeiteten Richtlinie dokumentiere sie nur, daß sich ihre Politik hilflos darauf konzentriere, Schule „irgendwie zu garantieren“. Teilungs- und Förderstunden würden zerschlagen, Projekte und andere reformorientierte Ansätze „als Luxusartikel geopfert“, und Schulleiter „zu Buchhaltern degradiert“.

Bei der Überarbeitung der Richtlinie habe Raab zusammen mit der GAL lediglich „Kosmetik“ betrieben, meint Ammonn. Immer noch handele es sich bei dem Vorhaben um eine „Mehrarbeitsverordnung“ für Lehrer. Denn drei unbezahlte Überstunden pro Monat und Lehrer werden darin ausdrücklich als zumutbar angesehen. Die „Jobkiller 620-Mark-Jobs“ seien zwar als Begriff getilgt worden, das Prinzip der sozialversicherungsfreien Beschäftigung von Lehrern sei jedoch „weiterhin möglich und gewollt“.

Denn auch nach der neuen Richtlinie sollen Schulen Geld, das ihnen für Förderstunden oder geteilten und damit doppelt besetzten Unterricht zugewiesen wurde, in Honorare umwandeln dürfen. Für den Vertretungsunterricht kommen weiterhin pensionierte LehrerInnen in Frage und all diejenigen, die das erste oder zweite Lehramts-Staatsexamen geschafft haben, aber nicht im Schuldienst beschäftigt sind.

Daß die Senatorin weiterhin Förderstunden zur Disposition stellt, verärgert auch Hamburgs Eltern. „Dieses Unterrichtsangebot darf auf keinen Fall ausgehöhlt werden“, forderte gestern Peter Riedel, Vorsitzender der Elternkammer. Daß LehrerInnen künftig Stundenkonten führen müssen, hält Riedel für legitim, „wenn es funktioniert“. Er befürchtet jedoch, daß Raab mit ihrer Verordnung nun auch noch all jene Lehrer vergrault, „die bisher noch mit viel Engagement bei der Sache sind“.

Auch Hamburgs Nachwuchs-SPDler (Jusos) sehen das so. Sie forderten die sozialdemokratische Schulsenatorin gestern zum Rücktritt auf.