Der Teilwert gehört zum Herrschaftswissen

■ Wer kennt schon die Einzelpositionen der Streichliste zur Steuerreform? Eine taz-Steuerhilfe. Teil 1

Steuerwissen ist Herrschaftswissen. Mit einer „Streichliste“ sollen Steuervergünstigungen in Höhe von 44 Milliarden Mark abgebaut werden, um die Steuerreform gegenzufinanzieren. Aber wer weiß schon, was sich hinter Begriffen wie „Teilwertabschreibung“ verbirgt? In loser Folge erklärt die taz wichtige Begriffe, heute aus der Unternehmensbesteuerung.

Die Teilwertabschreibung soll im Zuge der Steuerreform abgeschafft werden. Beispiel: Ein Elektrohändler hat eine gewerbliches Grundstück für eine Millionen Mark erworben, es stellt sich heraus, daß die Fläche ökologisch verseucht ist, außerdem wird daneben eine Autobahn gebaut. Die Immobilie sinkt dadurch im Wert um 300.000 Mark, diese Wertminderung verrechnet der Unternehmer gewinnmindernd mit seinen Einkünften.

Eine Teilwertabschreibung nimmt auch ein Textilhändler vor, der seine Waren in einer Saison nicht los wurde. In der nächsten wird er die Stücke nur noch zum Tiefstpreis verkaufen können. Schon in der diesjährigen Bilanz kann er sie deshalb niedriger ansetzen. Künftig wird er die Lagerware zum vollen Anschaffungspreis in der Bilanz aufführen müssen. Die Abschaffung der Teilwertabschreibung bringt im ersten Jahr 2,7 Milliarden Mark mehr in den Bundeshaushalt.

Die Einführung eines Wertaufholungsgebotes soll die Haushaltskasse im ersten Jahr um 1,7 Milliarden Mark bereichern.

Beispiel: Ein Unternehmer mit einer Kaffeerösterei kauft das Pfund Kaffee zu drei Mark und lagert den Rohkaffee ein. In den nächsten zwei Jahren steigt der Kaffeepreis auf fünf Mark das Pfund. Bisher mußte er die zwei Mark Wertzuwachs nicht in der Bilanz ausweisen. Kommt das Wertaufholungsgebot, muß der Wertzuwachs im Umlaufvermögen künftig auch in der steuerlichen Jahresbilanz berücksichtigt werden.

Ein dicker Brocken auf der Streichliste sind die Begrenzung des Verlustausgleichs und die Einführung einer Mindestbesteuerung. Dieser Posten soll im ersten Jahr 3,5 Milliarden Mark in die öffentlichen Kassen spülen. Beispiel: Ein erfolgreicher Chiphersteller mit 200.000 Mark Gewinn verrechnet damit seine Verluste aus der Vermietung zweier Häuser. Der „Gewinn“ sinkt damit auf 20.000 Mark, die Steuerlast ist entsprechend niedriger. Nach den rot-grünen Steuerplänen muß der Gewinn von 200.000 Mark zu einem Mindestsatz versteuert werden und kann nicht mehr bis fast auf null gedrückt werden.

Der Verlustrücktrag soll gestrichen werden; dies bringt in den Folgejahren jeweils eine Milliarde Mark. Beispiel: Ein Bauunternehmer macht in diesem Jahr herbe Verluste. Im Rahmen seiner Steuererklärung für 1996 kann er diese Verluste mit vormaligen Gewinnen verrechnen, muß also für 1996 weniger Steuern zahlen und verfügt deswegen heute über mehr liquide Mittel.

Die Streichliste trifft die kleinen Unternehmen ebenso wie die großen, sagt der Friedrichshafener Steuerberater Bernhard Brugger. Matthias Lefarth, Steuerhaushaltsexperte beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), befürchtet: „Die Investitionstätigkeit aller gewerblichen Betriebe ist durch die Streichliste negativ betroffen“. Barbara Dribbusch