Das Portrait
: Ein ehemaliger Rebell an der Macht

■ Ljubco Georgievski

Wer Ljubco Georgievski in den 80er Jahren sprechen wollte, der mußte sich in acht nehmen. Zeitweilig lebte der selbsternannte Kämpfer für ein freies Makedonien im Untergrund, mit wechselnden Adressen. Sein Kampfruf war: Es lebe die VMRO, auch IMRO genannt, die Innermakedonische Revolutionäre Organisation. Der jugendliche Georgievski machte keinen Hehl aus seiner Absicht, jene Befreiungsarmee erneuern zu wollen, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts ins Leben gerufen wurde, um für die Makedonier die Freiheit vom osmanischen Joch zu erkämpfen – mit Gewalt und Attentaten.

Damals erzählte der vollbärtige und langhaarige Georgievski – wenn man ihn denn fand –, er und seine Kampfgenossen sähen im titoistischen Jugoslawien eine Totgeburt, sein Ziel sei ein Makedonien in seinen historischen Grenzen mit Thessaloniki als Hauptstadt. Er setze sein Leben aufs Spiel, um die Kommunisten zu stürzen.

Doch jetzt hat der 32jährige Rebell ein Ziel zumindest erreicht: Seit dem Wochenende ist Georgievski neuer Regierungschef Makedoniens, wenngleich eines Rumpfmakedoniens, eingekeilt zwischen den feindlich gesonnenen Nachbarn Serbien, Bulgarien, Albanien und Griechenland. Aufgerüttelt vom Krieg in Kroatien und Bosnien, ist der VMRO- Chef von seinen nationalistischen Plänen mittlerweile abgerückt und hat der Idee eines Großmakedonischen Reiches abgeschworen.

Ob es dem gezähmten Familienvater gelingen wird, den kleinsten Balkanstaat zusammenzuhalten, wird sich zeigen. Eine glückliche Hand im Umgang mit der albanischen Minderheit wird ihm nicht nachgesagt, eine Nähe zu Bulgarien allerdings. So wundert es auch nicht, daß das offizielle Sofia Georgievski als „großen Erneuerer“ pries, der für Stabilität auf dem Balkan sorgen werde. In der Ideologie der VMRO waren die Makedonier schon immer die besseren Bulgaren.

Georgievski will an seine Vergangenheit derzeit nicht erinnert werden. „Uns liegt die Wirtschaftsreform am Herzen“, erklärte der VMRO-Chef im Wahlkampf, „wir wollen eine zivile Gesellschaft aufbauen und hoffen, daß die UNO und die Nato die offenen Fragen auf dem Balkan in Ordnung bringen. Wir jedenfalls starten keine nationalistischen Abenteuer“. Karl Gersuny