: Weiter jeder Zehnte ohne Arbeit
Im September waren immer noch knapp 3,9 Millionen Menschen ohne Arbeit. Die Bundesanstalt setzt jetzt auf eine „Gründerwelle am Standort Deutschland“ ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler
Nürnberg (taz) – Die Ausweitung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen, die anhaltende konjunkturelle Belebung und ein Rückgang des Arbeitskräfteangebots drückten auch Ende September die Arbeitslosenzahlen unter die Vier-Millionen-Grenze. Exakt 3.891.674 Menschen waren am Stichtag bei den Arbeitsämtern arbeitslos gemeldet, das sind knapp 399.000 weniger als im Vorjahr und 73.700 weniger als im August. Damit lag die Arbeitslosenquote bei 10,1 Prozent – um 0,2 Punkte geringer als im Vormonat. In den alten Bundesländern sank die Quote von 8,8 auf 8,7 Prozent, in den neuen von 16,3 auf 15,7 Prozent.
Diese Entwicklung dürfte besonders Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine erfreuen. „Den eingeplanten Bundeszuschuß in Höhe von 14,1 Milliarden werden wir nicht brauchen“, betonte gestern Bernhard Jagoda, Chef der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit (BA). Zwar sinken die Beitragseinnahmen der BA um zwei Milliarden, aber dank des Rückgangs der Arbeitslosigkeit muß man beim Arbeitslosengeld rund fünf Milliarden weniger ausgeben.
Gleichzeitig mit dem Rückgang der Arbeitslosigkeit stieg nach Schätzungen des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden die Zahl der Erwerbstätigen weiter auf nun bundesweit 34,1 Millionen an. In den neuen Ländern liegt sie nun bei 6,1 Millionen und damit erstmals seit Juli 1995 wieder über dem Vorjahresstand. „Zu diesem Ergebnis haben beschäftigungsschaffende Maßnahmen wesentlich beigetragen“, räumte Jagoda ein. Nur dadurch habe man das Wegbrechen von 79.000 Arbeitsplätzen in der Baubranche im Osten innerhalb nur eines Jahres auffangen können.
In Arbeitsbeschaffungs- und Strukturanpassungsmaßnahmen arbeiten derzeit 519.000 Menschen, knapp 230.000 Menschen mehr als im Vorjahr. Dazu kommen 418.000 Teilnehmer an beruflicher Weiterbildung.
Trotz dieser Entwicklung will Jagoda die Wende weder in den alten noch in den neuen Bundesländern als „ausschließlich ABM-gestützt“ bezeichnen. Daß im Westen die Arbeitslosenzahlen auf nun 2,704 Millionen und im Osten auf 1,188 Millionen gefallen sind, führen die Statistiker aus Nürnberg auch auf die Abnahme des Arbeitskräfteangebots zurück. Nicht nur die Änderungen im Altersaufbau der Bevölkerung und die abnehmende Zuwanderung insbesondere von Aussiedlern haben das Angebot an Arbeitskräften im Jahresdurchschnitt um etwa 170.000 zurückgehen lassen. Viele haben sich auch in die „Stille Reserve“ zurückgezogen, treten also auf dem Arbeitsmarkt nicht in Erscheinung. Für 1999 rechnet die BA mit einem nochmaligen Rückgang um 270.000.
Allein darauf zu setzen, ist BA- Chef Jagoda zu wenig. Er hofft auf eine „Gründerwelle am Standort Deutschland“. Derzeit sind in Deutschland nur neun Prozent der Erwerbstätigen Selbständige. Würde man Arbeitslose mittels Förderprogrammen zur Selbständigkeit ermuntern und damit den Durchschnittswert der OECD- Länder von 11,2 Prozent erreichen, dann, so rechnet Jagoda vor, würden allein 800.000 Arbeitsplätze entstehen.
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