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Aufgehoben oder aufgeschoben?

■ Koalition streitet um Details der Ökosteuer und um Ausnahmen für ihre Klientel. Die Grünen wollen lieber eine Verschiebung als eine Verwässerung ihres Konzeptes

Der Entwurf eines Gesetzes über die Ökosteuer wird erst nächste Woche veröffentlicht, doch der Streit in der Koalition darüber ist schon entbrannt. Während zwischen den SPD-geführten Finanz- und Wirtschaftsministerien die Ausnahmen von der Energiebesteuerung umstritten sind, sehen die Grünen ihr Projekt einer ökologischen Steuerreform so weit gefährdet, daß sie inzwischen dafür plädieren, die Einführung der Ökosteuer vom geplanten Termin 1.Januar 1999 um einige Monate zu verschieben.

Im Koalitionsvertrag hatten sich SPD und Grüne darauf festgelegt, die Lohnnebenkosten im ersten Schritt der Ökosteuer um 0,8 Prozentpunkte von derzeit 42 auf 41,2 Prozent zu senken. Dafür sollte die Mineralölsteuer um sechs Pfennig pro Liter angehoben werden, Strom sollte um 2 Pfennig pro Kilowattstunde teurer werden. „Die Ökosteuer ist unser Kind“, sagt der grüne Abgeordnete Reinhard Loske, der für die Ökosteuer bei den Grünen federführend ist. „Es sollte nicht mit der heißen Nadel gestrickt werden.“ Seine Fraktionskollegin Michaele Hustedt sorgt sich um die Akzeptanz der Ökosteuer. Lieber solle eine gutgemachte Steuer ein wenig später kommen, als daß das gesamte Konzept durch dauernde Nachbesserungen ins Zwielicht gerate.

Auch der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Schwanhold, plädiert „im Zweifel zwischen Schnelligkeit und Präzision für Präzision“. Der Mittelstand müsse entlastet werden, denn es sei nicht einzusehen, daß ein großer Backbetrieb von der Belastung bei den Energiekosten ausgenommen wird und ein kleiner Bäcker nicht. Eine Einigung sei aber bis zum Jahreswechsel möglich. Aus Fraktionskreisen verlautet, vor allem Finanzminister Oskar Lafontaine mache Druck für eine möglichst schnelle Reform, damit die Ökosteuer nicht im Laufe der Monate zwischen den Verbandslobbys zerrieben werde.

Doch neben dem Streit um die beste Taktik zur Durchsetzung der Reform gibt es auch inhaltliche Querelen. Aus Kreisen der SPD wurden diverse Ausnahmen gefordert: Für den Mittelstand setzt sich Bundeswirtschaftsminister Werner Müller ein, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse will den Osten herausnehmen, andere verlangen soziale Ausnahmen für Nachtspeicherheizungen, die vor allem ärmeren Menschen unökologisch die Stube heizen.

Im Bundesfinanzministerium machte die Arbeitsgruppe Ökosteuer sogar den Vorschlag, alle Gewerbebetriebe von den höheren Energiekosten der Ökosteuer auszunehmen, die mehr als 100 Kilowatt Strom verbrauchen, mehr als 500.000 Kilowattstunden Erdgas und mehr als 50.000 Liter Heizöl. Für Loske ein unsinniger Vorschlag: „Das würde ja bedeuten, daß belohnt wird, wer viel verbraucht.“ Er fordert eine „prozeßorientierte Ausnahmeregelung“ für die Wirtschaft. Matthias Urbach/Bernhard Pötter

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