Jedes Jahr über eine halbe Million neue Leprapatienten

Die ersten Berichte über die Lepra stammen aus Indien und China und enthalten bereits detaillierte Beschreibungen der Symptome sowie Regeln für den Umgang mit den Kranken. Doch auch in der Bibel finden sich erste Verweise auf die Infektionskrankheit, deren Erreger, Mycobacterium leprae, 1873 von dem Norweger Gerhard H. Armauer Hansen entdeckt wurde.

Den ersten Beweis für die Existenz der Lepra im Mittelmeerraum fand man in ägyptischen Skeletten aus dem 2. Jahrhundert vor Christi. Angenommen wird, daß aus Indien zurückkehrende Soldaten die Krankheit einschleppten. Die Lepra breitete sich langsam über den Kontinent aus, erreichte im 12. und 13. Jahrhundert epidemische Ausmaße, um dann wieder abzunehmen.

Die letzte Leprawelle in Europa datiert aus dem 19. Jahrhundert und beschränkte sich größtenteils auf Norwegen, wo der Erreger auch entdeckt wurde. Dessen Entdeckung und die Erkenntnis, daß es sich um eine Infektionskrankheit handelt, änderte allerdings nichts an der Situation der Kranken, die vorzugsweise auf Inseln isoliert wurden oder in sogenannten Siechenhäusern – zumeist ohne Hilfe von außen – vegetierten.

Erst Anfang der vierziger Jahre begann die Behandlung der Kranken mit Sulfonen erste konkrete Erfolge zu zeigen. Die Medikamente bremsten die Ausbreitung des Erregers im Körper, töteten die Bakterien jedoch nicht ab. Ein erster Durchbruch gelang den Lepraforschern 1963 mit dem Einsatz des Antibiotikums Rifampicin, das zusammen mit Chlofamizin und Dapson heute Bestandteil der von Enno Freeksen, einem deutschen Mikrobiologen, entwickelten Kombitherapie ist, die mit großem Erfolg angewendet wird. Mit Bewegungstherapien, Massagen und Schutzutensilien versucht man sowohl Lähmungen als auch Verletzungen vorzubeugen. Da die Patienten ihren Tastsinn als erstes verlieren, sind Verletzungen bei alltäglichen Verrichtungen wie dem Kochen weit verbreitet.

Die Länder mit den meisten Leprakranken sind der WHO zufolge Indien, Brasilien, Bangladesch, Myanmar und Nigeria. Weltweit sind derzeit 1,2 Millionen Patienten in Behandlung (1985: 6,9 Millionen), jedoch ist die Zahl der Neuinfizierten seit Jahren konstant. Sie liegt nach wie vor zwischen 600.000 und 700.000 pro Jahr, so daß die Anstrengungen bei der Vorbeugung, etwa verbesserte hygienische Bedingungen und ausreichende Ernährung, nicht vermindert werden dürfen, mahnen Hilfsorganisationen.

In Europa gilt die Krankheit bis auf wenige Fälle bereits seit dem 16. Jahrhundert als ausgestorben, was allerdings auch die Fachleute nicht erklären können. In Deutschland wurden seit 1988 nur wenige – importierte – Lepraerkrankungen registriert; voriges Jahr waren es sechs. Knut Henkel