Die armen Männer!

Die Urlaubszeit kommt bei Familien gleich nach der Weihnachtszeit – was die Häufigkeit von Krisen betrifft. Dabei scheint es, als kämen die Frauen in den kostbarsten Tagen des Jahres eher auf ihre Kosten.  ■ Von Martin Hager

Die Urlaubszeit bringt für Familien nicht unbedingt die kostbarsten Tage des Jahres, als die man sie gerne sieht. Selbstmord- und Scheidungsrate beispielsweise sind im Anschluß an einen Urlaub höher als sonst. Das zeigen die Untersuchungsergebnisse einer Studie zum Thema „Familienurlaub – die schönste Krise des Jahres?“. Durchgeführt wurde die Studie von der Praxis für angewandte Psychologie (P.a.P.) im Auftrag der Bruderhilfe/Familienfürsorge.

Die Bruderhilfe/Familienfürsorge, ein Zusammenschluß kirchlicher Versicherungsgesellschaften, versteht sich als Selbsthilfeeinrichtung mit sozialem Engagement, insbesondere im Bereich der Familie.

Nach den Erfahrungen von Monsignore Blome, des Leiters des katholischen Auslandssekretariats, ist der Seelsorgebedarf während des Urlaubs so hoch wie sonst nur zu Weihnachten. Das spricht für sich. Jeder zweite beschäftigt sich mit Sinnfragen, der Kirchenbesuch (zu nichttouristischen Zwecken) ist deutlich häufiger als daheim.

Die P.a.P. führte die Untersuchung in drei Stufen durch. Als erstes wurden Round-table-Gespräche abgehalten mit insgesamt 120 Personen, getrennt nach Geschlechtern: Männer, Frauen, Kinder. Bei der Frage nach der Fahrt in den Urlaub zeigte sich bereits, daß es mit der Emanzipation der Frau in Deutschland hapert: „Mama fährt zum Kindergarten, Papa zum Urlaub“, wie es ein Junge zusammenfaßte.

In der zweiten Phase wurden fünf Familien auf die Fahrt nach Spanien geschickt. Ein Renault Espace und ein Psychologe als Beobachter standen zur Verfügung (der Espace hat drei Sitzreihen!). Der Beobachter war erstaunlicherweise bald vergessen, alle fünf Fahrten reich an Konflikten. Kinder brauchen Pausen und mehr als die selbe Pumuckl-Kassette fünfmal hintereinander. Eltern sind auf Streß programmiert, wollen schnell ankommen und nörgeln konsequent am Fahrstil des jeweils anderen herum.

Dritter und wichtigster Schritt war eine Befragung von 514 Eltern am Urlaubsort, von den Alpen bis zum Atlantik, allerdings nur in Deutschland. Gefragt wurde nach Erwartungen, Streßphasen, Partnerbeziehungen und Konflikten. Vage Aussagen wie „gemeinsame Aktivitäten durchführen“ und „gemeinsam Ruhe und Entspannung genießen“ stehen bei beiden Geschlechtern hoch im Kurs. Bei konkreten Fragen sieht es anders aus. Das Bedürfnis nach „mehr Zeit für Sexualität“ ist bei Männern doppelt so hoch wie bei Frauen. Umgekehrt wünschen sich dreimal so viele Frauen wie Männer, daß „der/die andere sich verstärkt um die Kinder kümmert“ – was die Männer meist auch tun. Das Bedürfnis der Männer wird hingegen nicht in gewünschtem Maße erfüllt.

Was Konfliktursachen anbetrifft, so sind es in erster Linie „Kleinigkeiten und tagtägliche Problemchen“. Zu Urlaubsanfang ist das Konfliktpotential am höchsten (Anreisestreß!). Immerhin 28 Prozent der Befragten gaben an, im Urlaub „keine Konflikte“ zu haben. Das mag daran liegen, daß sich Menschen „bei sozialrelevanten Fragen sehr angepaßt verhalten“, wie es der Verkehrspsychologe Gerhard Stöcker ausdrückte, der die Untersuchung leitete. Niemand mag so recht zugeben, wie furchtbar er den anderen eigentlich findet. Im Urlaub – und auch sonst.