Kommentar
: Hoffnungsträger Strieder

■ Konturen eines SPD-Teams zeichnen sich ab

Die Erleichterung beim SPD-Parteitag war spürbar. Mit Strieders Verzicht, für die Spitzenkandidatur anzutreten, ist die Lage übersichtlicher geworden. Der Wunsch nach innerparteilicher Geschlossenheit ist groß, Teamarbeit statt Konkurrenz der Kandidaten ist die einzig erfolgversprechende Wahlkampfstrategie. Das Erfolgsmodell Schröder/Lafontaine hat für die Berliner Genossen Vorbildcharakter. Auch Strieders Bereitschaft, den Parteivorsitz zu übernehmen, weist einen Ausweg.

In der Partei ist die Einsicht gewachsen, daß sie ein Personalproblem an der Spitze hat. Mit einem führungsschwachen Parteichef und einem Landesgeschäftsführer, dem schwere Organisationsmängel angelastet werden, ist die Abgeordnetenhauswahl kaum zu gewinnen. Doch hängt es letztlich von Parteichef Detlef Dzembritzki ab, ob er den Vorsitz vorzeitig abgibt und sich auf seine Arbeit als Bundestagsabgeordneter konzentriert. Er war erst im Juni dieses Jahres für zwei weitere Jahre im Amt bestätigt worden.

Damals räumte auch die Parteilinke Strieder keinerlei Chancen für das Amt ein. Als Umwelt- und Stadtentwicklungssenator hatte er zu sehr auf medienwirksame Aktionen gesetzt und zuwenig erreicht. Den Makel des Ankündigungssenators hat Strieder inzwischen abstreifen können, am Leitantrag zur sozialen Stadtentwicklungspolitik war er maßgeblich beteiligt. Die Stimmung hat sich zu seinen Gunsten gewendet. Er würde inzwischen weit über den linken Parteiflügel hinaus als Parteichef akzeptiert.

In jedem Fall wird Strieder in den nächsten Wochen und Monaten eine Moderatorenrolle übernehmen. Er will die Partei inhaltlich voranbringen und könnte auch dafür sorgen, daß sich die Fehler der Urwahl von 1995 nicht wiederholen. Wie das Ergebnis auch ausfällt, aus den Rivalen von heute soll ein Team werden.

Wie sich Strieders Rückzug auf die Chancen der Kandidaten Momper und Böger auswirkt, ist bei einer Urwahl von 22.000 SPD-Mitgliedern schwer abzuschätzen. Mit Strieders Ausscheiden hat die Linke keinen eigenen Kandidaten mehr. Ihre Stimmen werden sich aufsplitten. Ein Teil wird sich für Momper entscheiden, der von der Linken kommt, in den letzten Jahren aber in die Mitte gerückt ist. Andere Teile der Linke setzen dagegen auf Böger, weil der als berechenbarer gilt als Momper. Doch Böger könnte Punkte sammeln, wenn er Dzembritzki dazu bewegen kann, den Weg für Strieder freizumachen. Dorothee Winden