■ Nebensachen aus Johannesburg
: „Transitional Substructure“

Verglichen mit anderen afrikanischen Staaten ist das Leben in Südafrika einfach himmlisch. In den großen Städten zumindest gibt es fließendes Wasser, die Stromversorgung funktioniert meist und das Telefonnetz auch. Voraussetzung für all diesen Luxus ist nur, daß man ihn bezahlt. Sonst könnte es einem so gehen wie Hunderttausenden von Township-Bewohnern, die noch nicht ganz begriffen haben, daß Strom und Wasser trotz einer ANC-Regierung etwas kosten.

Früher, zu Apartheid-Zeiten, war es Ausdruck von Widerstand, solche Dienstleistungen nicht zu bezahlen. Heute macht man einfach so weiter. Hat der ANC nicht ein besseres Leben versprochen? Viele Kommunen allerdings greifen nun zu drastischen Maßnahmen. Weil ihnen Millionen in den Kassen fehlen, drohen sie, Hähne und Schalter abzustellen. Wer dann immer noch nicht zahlt, steht eines Tages eben ohne da. Selber schuld. Könnte mir auch passieren. Dabei bezahle ich, und zwar eher zuviel als zuwenig.

Die Stadtverwaltung von Johannesburg indessen ist außerstande, das zu begreifen. Regelmäßig erhalte ich Post – wenn die gerade mal kommt – mit der Drohung, den Strom abzudrehen. Doch, doch, die haben Computer für ihr Abrechnungssystem. Das ist nicht Timbuktu. Die Computer führen aber offenbar ein Eigenleben. Seit über einem Jahr weist meine Stromrechnung fiktive Beträge aus, die zu einer angeblich ausstehenden Summe von mehreren Tausend Mark angewachsen sind. Nicht, daß nicht gelegentlich jemand käme, um den Zählerstand abzulesen. Jedesmal zeige ich den freundlichen jungen Männern die gerade aktuelle Rechnung und bringe sie in schweres Nachdenken, denn der tatsächliche Zählerstand ist viel niedriger. Das notieren sie dann gewissenhaft. Die nächste Rechnung zeigt wieder ein paar tausend Kilowattstunden mehr an. Damit könnte man wohl eine kleine Fabrik betreiben.

Auch alle Besuche bei den zuständigen Sachbearbeitern waren vergebens. Um sie überhaupt zu finden, muß man die Kunst des investigativen Journalismus beherrschen, denn der Millionen-Moloch Johannesburg organisiert sich im „neuen Südafrika“ ständig neu. So ist zum Beispiel auch zu erklären, daß ein Betrag von mehr als 500 Mark, vor über einem Jahr bezahlt, in einem alten Konto der Stadt versandet ist und bis heute nicht an die neue zuständige Stelle überwiesen werden konnte. Das wird mir weiter angelastet auf der Rechnung, mit Zinsen.

Alles ist doch im Fluß und im Übergang. Derzeit hat die östliche Großgemeinde von Johannesburg, zu der ich gehöre, den ansprechenden Namen „Eastern Metropolitan Transitional Substructure“. Vier davon gibt es in Johannesburg. Sinn dieser neuen Einheiten ist, ehemals rein weiße Wohngebiete mit schwarzen Townships zusammenzulegen und so verwaltungstechnisch das Armutsgefälle auszugleichen. Klingt schön und ist politisch korrekt. Nur sehe ich nicht ein, daß ich allein diesen Ausgleich finanzieren soll.

Bald wird bestimmt alles besser. Dem ANC ist nämlich etwas Pfiffiges eingefallen: er will, entgegen allen stadtplanerischen Trends andernorts auf der Welt, die Stadtverwaltungen zu sogenannten „Mega-Cities“ zentralisierten. Sprich, für mehrere Millionen Johannesburger gibt es dann eine einzige Stelle, die alles zügig bearbeitet. Klingt schön, nicht wahr? Allein der Glaube fehlt. Inzwischen bahnt sich aber eine Lösung des Problems an. Wir rechnen nun unseren Verbrauch jeden Monat selbst aus und zahlen genau so viel. Das immerhin erscheint auch auf den Rechnungen, wenn sie auch sonst beständig weiter wachsen. Nur die Drohungen, den Strom abzuschalten, sind seither seltener geworden. Kordula Doerfler