Wieviel Erfolg können Sozialisten verkraften?

■ Gestärkt im Bund und in den Ländern ist die PDS. Auf ihrem Parteitag stellt sie sich ihrer neuen Rolle und der Frage: Kann die Partei gleichzeitig regieren, opponieren und tolerieren?

Berlin – Einschnitte in der Parteigeschichte waren es an beiden Orten: Während am Samstag in Bonn die CDU Abschied von der Ära Kohl nahm und das Zeichen für einen Neubeginn setzte, wurden zu gleicher Zeit auch beim Parteitag der PDS in Berlin die Weichen gestellt. Ihn beschäftige die Frage, „wie eine Partei zusammengehalten werden kann, die opponiert, toleriert und regiert“, sagte PDS-Vorsitzender Lothar Bisky. Parteivorstand und Parteirat gaben in Berlin ganz offiziell das Startzeichen für den Beginn einer – womöglich jahrelangen – neuen Programmdebatte, an deren Ende jedoch die PDS ihren alten ideologischen Ballast von Bord werfen könnte. Die Diskussion dürfte die gerade noch bei den Wahlen gestärkte Partei in unruhigeres Fahrwasser bringen: Die alte innerparteiliche Opposition prophezeite bei Änderung des Programms bereits eine „tiefgehende Existenzkrise“ der Partei.

Für die Reformer in der Parteispitze ist die Überarbeitung unumgänglich. Dadurch, daß die PDS nun langsam auf dem Weg sei, zu einer akzeptierten Partei zu werden, werde sie auch mit ihren Inhalten mehr wahrgenommen, heißt es dort. Die Aussagen im Programm würden auch darüber entscheiden, ob neue Mitglieder gewonnen werden könnten und ob die Stellung der PDS als Bundestagspartei auf Dauer gehalten werden kann. Parteichef Lothar Bisky brachte dies auf dem Bundeskongreß am Sonnabend auf die Formel, daß die PDS zwar ihr „Mäntelchen nicht in den Wind des Zeitgeistes“ hängen sollte. Sie dürfe aber nicht so starr sein, „daß sie vom Wüstensand zugeweht wird“.

Die im alten Denken verhafteten Gruppen in der PDS sehen da Rot. Ellen Brombacher und Michael Benjamin – Wortführer der Kommunistischen Plattform – verteidigten auch gleich das alte Parteiprogramm von 1993: Diese spiegele einen Minimalkonsens in der Partei wider. Ihn aufzukündigen sei für den Fortbestand der Partei gefährlich. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Uwe Jens Heuer warnt, die PDS sei in der Gefahr, sich zu sehr an die SPD anzupassen und damit einst überflüssig zu werden. Die PDS hat damit ihre alte Kontroverse zwischen Reformern und Orthodoxen aus der Mitte der neunziger Jahre wieder.

In welche Richtung nun die Reformer die Programmdebatte lenken wollen, ist derzeit noch nicht ganz klar – vielleicht auch, weil im Januar erst einmal die Führungsspitze der PDS neu gewählt werden muß. Eine Tendenz könnte sich aber aus dem Brief der Parteispitze an Altbundespräsident Richard von Weizsäcker ergeben. Darin hatte sie sich kritisch zur DDR-Vergangenheit und – vorsichtig – positiv zur Marktwirtschaft geäußert. Ulrich Scharlack, dpa