■ Sollten etwa österreichische Hitradiomacher keine „Deppen“ sein?
: Nase hoch oder Kopf hoch

Wien (dpa) – „Ich habe bei Ö3 den Eindruck, daß dort die Mitarbeiter ausschließlich aus den größten Deppen jedes Matura-Jahrgangs rekrutiert werden und der am schnellsten eine eigene Sendung moderieren darf, dessen sprachliche Fähigkeiten am eingeschränktesten sind.“ Wegen dieser öffentlich geäußerten Kritik am beliebtesten Rundfunksender Österreichs wurde der Schriftsteller Karl Markus Gauß von einem Gericht zu 8.000 Schilling (1.100 Mark) Strafe zuzüglich 200.000 Schilling Anwaltskosten verurteilt.

Unter den Intellektuellen des Landes brach daraufhin ein Sturm der Entrüstung los. Die durch einen Verfahrenstrick künstlich hochgeschraubten Anwaltskosten von 16 klagenden Ö3-Leuten könnten dazu dienen, „einen kritischen Intellektuellen einzuschüchtern und, wenn er dann nicht spurt, finanziell zu ruinieren“, mutmaßte Gauß' Autorenkollege Robert Menasse in einem offenen Brief an den öffentlich-rechtlichen Sender ORF und fragte die Sendeleitung: „Wollen Sie allen Ernstes erreichen, daß man Ö3 am Ende zwar nicht als ,Deppen-Sender‘ bezeichnen darf, ihn aber als ,Anti-Intelligenz-Sender‘ bezeichnen muß?“ Außerdem kündigte Menasse an, weitere renommierte Autoren wie Elfriede Jelinek oder Josef Haslinger würden Gauß' Ö3-Einschätzung wiederholen, damit auch sie vor Gericht gezogen werden.

Ö3-Sendechef Bognan Roscic konterte nun in einem offenen Brief, er wolle nicht hinnehmen, daß Gauß „nach Gutsherrenart Intelligenzquotienten“ verteile. Mit der Einstellung „Kultur ist, wenn Nase hoch“, habe Gauß seine Moderatoren „an die Hackordnung erinnert: Ich Tarzan, du blöd“. Die „Deppen“-Kritik sei, „was eine bestimmte Geschmacksrichtung österreichischer Intellektueller seit Jahrzehnten zu elektronischen Medien denkt: pfui“.

Ein Vermittlungsversuch der Interessensgemeinschaft (IG) Österreichischer AutorInnen, die Streithähne öffentlich diskutieren zu lassen, war an Ö3-Bedingungen gescheitert, die für Gauß „gänzlich unannehmbar“ seien. Der Gauß- Anwalt sprach von einer „geradezu peinlichen Demonstration von Machtgelüsten“.

Gauß berichtete derweil: „Ein Drittel von Österreich hat sich mit mir solidarisiert.“ Und er selbst werde auch nicht vor der Anrufung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zurückschrecken. Thomas Brey