„Jedes Land muß die Grenzen seiner Nachbarländer respektieren“

■ Der aus Kongos Rebellengebiet geflohene Provinzgouverneur Jean-Charles Magabe über Ruandas Rolle bei den kongolesischen Rebellen

Jean-Charles Magabe war bis vor kurzem Gouverneur der Provinz Süd-Kivu im Osten der Demokratischen Republik Kongo, die seit August von der ruandisch unterstützten Rebellenbewegung RCD beherrscht wird. Er wurde 1997 von der Bevölkerung gewählt; vorher war er Vertreter der Oppositionspartei UDPS im Süd-Kivu und Rektor an der Universität der Provinzhauptstadt Bukavu. Vor wenigen Wochen ist er nach Belgien geflohen. Am vergangenen Freitag gab Ruanda erstmals zu, Truppen im Kongo stationiert zu haben. Am Wochenende präzisierte die RCD, es gebe keine gemeinsame Militärführung mit Ruanda, sondern „jeder führt seinen eigenen Krieg“.

taz: Wieso haben Sie beschlossen, Ihre Funktion als Gouverneur des Süd-Kivu aufzugeben und zu fliehen?

Jean-Charles Magabe: Mir ist klargeworden, daß es keine Gemeinsamkeiten zwischen den Hoffnungen des Volkes und den Motiven der Rebellen gibt. Die Rebellion im Kongo ist eine heteroklite Ansammlung von Individuen, in der die ruandischen und ugandischen Truppen die Schlüsselrolle spielen. Daher habe ich mir gesagt, daß ich es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren kann, die Tragik zu unterstützen, in der sich unser Volk befindet.

Wer hat in der Rebellion das Sagen?

Wenn Sie mit den Kongolesen in der Rebellion verkehren, kommen Sie sehr schnell zu dem Schluß, daß diese keine Macht haben. Die Militärs in Ruanda und Uganda haben das Sagen.

Aber was ist denn der Unterschied zu vorher? Die Bevölkerung des Kivu ist doch davon überzeugt, daß sie schon seit der Kabila-Rebellion 1996 von Ruanda und Uganda aus regiert wird...

Genau das ist ja der Widerspruch. Die ruandischen Truppen waren seit 1996 in Bukavu. In Bunyakiri, wo Ex-Far- (ehemalige ruandische Hutu-Armee, d. Red.) und Mayi-Mayi-Rebellen sind, waren auch ruandische Truppen. Dieselben Truppen, die unfähig waren, diese Rebellenbewegungen auszulöschen, geben heute als Grund für ihre Aggression gegen den Kongo an, daß Kabila unfähig war, diese Rebellion auszulöschen.

Es gibt im Süd-Kivu die Meinung, daß nicht Sie als Gouverneur die Macht ausübten, sondern Vizegouverneur Benjamin Serukiza, der mit Ruanda regiere.

Ich hatte die Kontrolle über die Verwaltung. Aber bei Sicherheitsproblemen agierte Ruanda direkt über seine Truppen im Kongo, die nach Kigali berichteten.

Viele Menschen im Kivu fühlen sich alleingelassen, verraten und fremdbestimmt. Werden sie nun selber in den Aufstand treten?

Die Bevölkerung ist enttäuscht. Aber die Kinder in den Untergrundkampf zu schicken, ist eine andere Sache.

Aber wie wird es weitergehen? Militärisch wird die Rebellion nach gegenwärtigem Stand nicht verlieren.

Sie wird aber auch nicht gewinnen. Die Rebellion ist eine Aggression Ruandas und Ugandas gegen den Kongo. Es ist, wie wenn ein Kind Räuber mit nach Hause bringt und diese Räuber sich dann in dem Haus einrichten. Ruanda muß seine Truppen abziehen, jedoch muß auch sein Sicherheitsproblem berücksichtigt, müssen Garantien gegeben werden. Jedes Land muß die Grenzen seiner Nachbarländer respektieren, sonst ist das ein unendlicher Krieg auf Kosten der Bevölkerung, die sich nicht wehren kann. Interview: Oliver Meisenberg