Feilschen um die Subventionen aus Brüsseler Kassen

■ Trotz Beteuerungen haben viele EU-Länder kein Interesse an einer schnellen Erweiterung

Brüssel (taz) – Die Osterweiterung der Europäischen Union sei ein „historisches Projekt“, betonte Bundesaußenminister Joschka Fischer in Brüssel, da dürfe man nicht „in kleiner Münze“ rechnen. Die Frage ist nur, ob das auch in seiner Regierung alle gehört haben. Denn die Aufnahme der mittel- und osteuropäischen Reformländer kostet nicht nur Geld, die EU selbst muß sich reformieren, um die Neuen verkraften zu können. Die Pläne für die nötigen EU- Reformen liegen längst vor, zusammengefaßt unter dem Stichwort „Agenda 2000“. Sie sehen unter anderem vor, die Finanzhilfen für strukturschwache Gebiete auf die wirklich armen Regionen zu konzentrieren.

Die Agrarpolitik soll von den unsinnigen Garantiepreisen schrittweise auf direkte Einkommenshilfen umgestellt werden. Und um die Eingliederung der armen Nachbarn zu finanzieren, ohne daß die bisherigen Zahlmeister noch mehr zur Kasse gebeten werden, soll das Beitragssystem umgestellt werden. Darauf hat vor allem Bonn gedrängt, und auch die neue Bundesregierung legt Wert darauf.

Doch die Fortschritte sind „millimeterklein“, wie es aus der EU- Kommission heißt. Manchen Regierungen scheint es ganz recht, wenn sich die Osterweiterung dadurch noch etwas verzögern würde. Spanien etwa hat wenig Lust, für Polen Einschnitte bei seinen EU-Finanzhilfen in Kauf zu nehmen. Frankreich verteidigt das Agrarsystem, das seinen Bauern Geld aus Brüssel zuspült. Und selbst die bisherige Bundesregierung, die sich am meisten für die Osterweiterung stark gemacht hat, stand stets auf der Bremse, wenn es um konkrete Reformmaßnahmen ging. Vor allem mit den Bauern etwa wollte sich Kohl lieber nicht anlegen.

Mit Spannung wird nun erwartet, ob die neue Bundesregierung den alten Widerspruch zwischen den Sonntagsreden vom großen Friedensprojekt und dem erbitterten Kampf um EU-Subventionen für die Züchter hochstämmiger Erdbeeren fortführt. Die ersten Anzeichen sind allerdings wenig ermutigend. Der neue Agrarminister hat als erstes mehr Geld für seine Klientel verlangt. Wenn die anderen Minister ebenso kurzsichtig sind, wird es bis zur europäischen Ost-West-Vereinigung wohl noch etwas länger dauern, als sich Polen und Ungarn bislang erträumen. Alois Berger