Am virtuellen Keksregal

Nie wieder Schlange stehen: Ein Hamburger kauft für andere ein. Die bestellen per Telefon oder über das Internet  ■ Von Christine Holch

Mal wieder nichts mit zeitigem Feierabend. Sie sitzen im Büro fest und kommen nicht zum Einkaufen. Im Brotkasten trocknet nur ein Knust vor sich hin, der Kühlschrank hält außer zwei alten Eiern nichts fürs Frühstück bereit. Ein Wink, und Rahman Nassery schiebt für Sie den Einkaufswagen durch den Supermarkt – Sie müssen ihm nur per Telefon oder Internet den Einkaufszettel durchgeben. Wer bis 17 Uhr bestellt, bekommt die Ware bis 20 Uhr ins Büro geliefert. Mindestbestellwert: 40 Mark.

Ein bißchen Aufwand ist allerdings auch für den Ferneinkäufer dabei. Zwar sind Katalog und Internetseiten übersichtlich gegliedert in Kapitel wie Obst, Drogerie, Schnelle Küche, Tiernahrung oder „Für das Kind“ – aber wer kommt schon drauf, daß sich Nutella im Kapitel Nährmittel verbirgt? Doch statt wie im Supermarkt verzweifelt die Regale abzuschreiten, klickt der Internet-Kunde einfach die Suchfunktion an und tippt „Nutella“ ein.

Mit rund 2500 Artikeln kann es Nassery mit einem mittelgroßen Selbstbedienungsladen aufnehmen. Doch das Gemüse- und Obstangebot fällt recht karg aus. Die Frische im Großmarkt ließe oft zu wünschen übrig, begründet der 40jährige. Auf Anfrage besorgt er aber Extras wie Bio-Brot.

Für Stammkunden tue er einiges, sagt der gebürtige „Perser“, der seit 17 Jahren in Deutschland lebt. Schließlich kam er in seinem vorigen Job als Programmierer selbst oft nicht zum Einkaufen. Nun hilft er anderen: Rund 3000 Kunden hat Nassery in der Kartei. Darunter Firmen, die Getränke, Milch und Kekse in rauhen Mengen bestellen. Ehrgeizige junge Leute, die spätabends noch im Büro sitzen, nutzen den virtuellen Supermarkt, aber auch ältere Menschen, Behinderte oder Familien, denen ein Großeinkauf zu beschwerlich ist.

Aber muß man nicht gut verdienen, um sich diese Dienstleistung erlauben zu können? „So teuer bin ich gar nicht, außerdem macht man so keine Verführungskäufe“, meint Nassery. Ein Vergleich zeigt: Die Artikel sind drei bis maximal zehn Prozent teurer als im Supermarkt. Ein Paket umweltfreundliches Toilettenpapier (dreilagig) kostet dort 5,99 Mark, im Lieferdienst 6,29. Für eine Schachtel Schokini-Kekse verlangt der Supermarkt 2,99, Nassery 3,29 Mark. Hinzu kommen fünf Mark Liefergebühr; das Schleppen von Getränkekisten kostet 1,50 Mark pro Stück.

Nassery selbst kauft im Großmarkt in Bahrenfeld ein. Wie er in der hart umkämpften Einzelhandelsbranche überleben kann? Nun, er muß weder Ladenlokal noch Lager mieten. Zu Buche schlagen nur ein kleines Büro, drei VW-Transporter, der Auftritt im Internet und der Katalog für Telefon-Kunden. Beim Umsatz gleicht Nasserys Firma zwar einem Tante-Emma-Laden, wirft aber wegen der geringen Fixkosten weit mehr ab.

Und der Unternehmer will expandieren: Im Franchise-System sollen Telefon- und Internet-Supermärkte in weiteren Städten aufgebaut werden, zum Beispiel in Kiel, Flensburg und Rostock. Zwar haben auch andere diese Marktlücke entdeckt – von Karstadt soll es einen Lebensmittellieferservice geben – „aber so flexibel wie ich ist keiner“, sagt Nassery selbstbewußt. Kriegt ein Kunde unerwartet Besuch, schickt der Unternehmer einen Kurier los, um die Kiste Champagner innerhalb einer halben Stunde zu liefern. Für eine Kiste Wasser allerdings würde er diesen Aufwand nicht treiben. Der Einsatz muß sich schließlich lohnen.

Bestellungen: % 851 75 70, per Internet: http://www.einkauf24.de