Betonharte Fronten auf dem Klimagipfel

Bislang stockt es, nun hoffen alle auf das Geschick der gestern eingeflogenen Umweltminister  ■ Aus Buenos Aires Ingo Malcher

Berge von Papier stapeln sich im Ausstellungszentrum von Buenos Aires auf den klapprigen Tischen in den Gängen. Dazwischen wuseln Industrie-Lobbyisten und Umweltfunktionäre wild durch die Gegend. Bei einem Empfang von US-amerikanischen Energieversorgern werden Sekt und staubtrockene Sandwichs auf Silbertabletts gereicht, bei den Umweltschützern gibt es nur noch mehr Papier. Die deutsche Atomindustrie versucht bei einer Einladung zum Abendessen ins edle Hotel Alvear, bestes Haus am Platze, von der Notwendigkeit der Kernspaltung für den Klimaschutz zu überzeugen.

Im Konferenzraum des Klimagipfels in Buenos Aires ist davon wenig zu spüren, die Luft eher dick. „In einer Woche Verhandlungsmarathon hat sich so gut wie nichts getan“, beschwert sich Jürgen Maier vom Forum Umwelt und Entwicklung, einer der zahlreichen angereisten regierungsunabhängigen Organisationen (NGO). Sie sind durchweg enttäuscht. „Es hat sich verdammt wenig getan“, sagt auch Holger Roenitz von Greenpeace International. In Berlin und Kioto hätte in solch schwierigen Situationen das Gastgeberland als Konferenzleiter eingegriffen, was bislang ausblieb.

Für den grünen Umweltminister Jürgen Trittin ist der Fall klar. „Die Konferenz ist verharrt, weil bislang noch keine politischen Entscheidungsträger hier waren.“ Das hat sich gestern endlich mit dem Eintreffen der seiner Amtskollegen aus aller Welt geändert. Zweifel, daß es zu einem Durchbruch in Buenos Aires kommt sind dennoch angebracht. Zu unterschiedlich sind die Positionen.

Der wesentliche Knackpunkt ist der Emissionshandel. Dabei geht es darum, daß Industrieländer sich von ihrer Pflicht, weniger Treibhausgase auszustoßen, freikaufen können. Das funktioniert, indem ein Industrieland von einem anderen, das weniger Gase herausbläst als erlaubt, die übrige Menge in Form von Verschmutzungsrechten abkauft. Die Frage ist nur, ob es dafür ein Limit gibt. Umweltminister Trittin will dieses Ablaßgeschäft auf die Hälfte der nationalen Verpflichtungen eines Landes beschränkt sehen. Auch fordert er „klare Regeln bis hin zu Sanktionen“ für die Einhaltung der Klimaschutzverpflichtungen. Die USA und Japan aber wollen Emissionen unbeschränkt handeln können.

Die klare Haltung Trittins ist nicht mal in der EU mehrheitsfähig. Konsequenz: Die EU ist „praktisch paralysiert“, wie Stephan Singer vom World Wide Fund for Nature (WWF) findet. Vor allem Italien, die Niederlande und Großbritannien nähern sich immer mehr der laschen US-Position an, lehnen ein Limit für Emissionshandel ab. In Kioto war die EU-Position noch geschlossener.

Wenn es gestattet ist, alle Verpflichtungen über gekaufte Verschmutzungsrechte zu erfüllen, wird sich die Struktur der Energieversorgung in vielen Industrieländern nicht ändern. Singer wünscht sich eine Rückbesinnung der EU auf ihre einstige Rolle als „fortschrittliche Kraft“. Inzwischen renne „sie jedem chaotischen Vorschlag der USA hinter“. Wenn die EU zusammen mit Entwicklungsländern auf die USA und Japan Druck machten, hofft der WWF- Klimaexperte, sei einiges machbar.

Stuart Eizenstat, Chefunterhändler der USA, glaubt dagegen schon daran, daß die EU der USA langsam entgegenkommen wird. Wenig Grund zur Sorge sieht Martin Bartenstein, Umweltminister von Österreich, der wegen der EU- Präsidentschaft seines Landes die Union vertritt. Die EU hätte mit 15 Mitgliedstaaten, plus elf Beitragskandidaten plus Schweiz und Kroation ein enormes Gewicht. Nur sei man „ein gutes Stück von einer Plattform in Buenos Aires entfernt“, so Bartenstein. Er versucht die EU auf eine Linie zu bringen, indem er sagt: „Emissionshandel ist nur ergänzend zu dem, was zu Hause zu erledigen ist.“

Immerhin erwägt die US-Regierung offenbar, das Kioto-Protokoll diese Woche zu unterzeichnen. Dies könne neuen Schwung in die Verhandlungen bringen, sagte Chefunterhändler Eizenstat voller Eigenlob. Ein großartiges Entgegenkommen wäre das nicht: Alle anderen Industrieländer haben längst unterzeichnet. Und solange die Republikaner die Mehrheit im US-Kongreß haben, wird der das Protokoll niemals ratifizieren. Egal, was auf dem Klimagipfel herauskommt. Das aber ist die Voraussetzung für die rechtlich bindende Klimaschutzverpflichtung der USA.