„Der Abstieg ist kein Problem“

■ Zwei Rugby-Teams schwören sich Vernichtung und trinken dann doch zusammen ein Bier

Rugby gilt als die härteste Sportart. Im direkten Vergleich mit American Football stimmt es auch: Die jeweils 15 Spieler benötigen bessere Kondition als Footballer, denn sie bleiben die gesamten zweimal 40 Spielminuten auf dem Feld. Jeder Spieler darf den Ball fangen, werfen oder treten, und sie schützen sich nicht mit Polstern und Helmen. Beiden Sportarten ist neben dem ovalen, „Ei“ genannten Lederball eine martialische Sprache gemein: „Wir vernichten die so, daß sie nicht mehr zum Rückspiel antreten werden“, lautet die Ansage der Rugby-Abteilung des FC St. Pauli vor dem Lokalderby gegen die Hamburg Exiles morgen um 14.30 Uhr auf dem Sportplatz Saarlandstraße.

„Ein bißchen Rivalität gehört dazu“, findet Abteilungsleiter Jens Michau. Und die wird seit Jahren zwischen beiden Clubs gepflegt. „Die Engländer können es nicht verstehen und leiden, daß andere besser Rugby spielen als sie“, erklärt Michau. Für St. Pauli ist das Spiel wichtig, weil sie nach einer Saison in der Regionalliga unbedingt in die 2. Bundesliga zurücckehren wollen: „Der Abstieg ist kein Problem“, so Mannschaftskapitän Friedrich Michau, „schlimm wäre nur, nicht wieder aufzusteigen.“ Nach drei Siegen und einer Niederlage führen die Paulianer die Tabelle deutlich an, aber um sich die Aufstiegschancen zu sichern, müssen sie die Exiles schlagen.

Die Animosität zwischen beiden Vereinen liegt in den völlig gegensätzlichen Einstellungen begründet. „Wir sind Freizeitsportler“, erklärt der Vorsitzende der Exiles, John Holway, „und weniger wettkampforientiert.“ Kein Wunder, daß der 1966 gegründete Club nicht mehr erreicht hat als die Regionalligameisterschaft 1998. Das Team setzt sich vorwiegend aus Briten zusammen, die aus beruflichen Gründen in Hamburg leben. Ein Jugendteam als Kaderschmiede existiert nicht. „Es ist ein großer Fehler“, gesteht Holway ein, „aber es gibt keine Leute, die die Zeit für Jugendarbeit haben.“ Deshalb suchen die Exiles auf anderem Wege Nachwuchs: „Wir hängen an Orten, an denen wir englischsprechende Menschen vermuten, Flugblätter auf, wie beispielsweise in Kneipen“, erklärt Holway. Oder, wie die Paulianer gerne kolportieren, am Flughafen.

Besonders die fehlende Jugendarbeit ist den St. Paulianern, die sich selber intensiv und erfolgreich um ihren Nachwuchs kümmern, ein Dorn im Auge. Als der FC St. Pauli absteigen mußte, weil 18 Spieler mit Rugby aufhörten, saß der Schock erstmal tief. Doch inzwischen konnte die Mannschaft zu 90 Prozent mit Spielern unter 21 Jahren aufgestockt werden. Bestes Beispiel ist Mannschaftskapitän Friedrich Michau: Der 19jährige Sohn des Abteilungsleiters spielt seit 14 Jahren Rugby, war Kapitän der Deutschen Juniorennationalmannschaft und U23-Nationalspieler.

Aufgrund ihrer Clubtradition – in ihrer 65jährigen Vereinsgeschichte wurden sie 33mal Hamburger Meister – fühlen sich die St. Paulianer prädestiniert, in höheren Ligen zu spielen. Sie zweifeln nicht am Ergebnis des Matches: „Wir werden siegen!“ Holway dagegen prognostiziert: „Die Exiles werden knapp gewinnen.“ Und allen markigen Sprüchen zum Trotz werden die Spieler beider Vereine hinterher gemeinsam ein Bier trinken.

Edwin Feindt