Methadon-Programm ade?

■ Hamburger Ärztekammer wirft Krankenkassen „Behandlungsverweigerung“ vor / Streit um Geld und Richtlinien gefährdet liberale Praxis Von Patricia Faller

Das liberale Hamburger Methadon-Programm ist in Gefahr, warnt der Präsident der Hamburger Ärztekammer, Frank Ulrich Montgomery. Die Schuld dafür schiebt der Ärzte-Chef den Krankenkassen in die Schuhe. Diese weigerten sich, wenn das Programm Ende des Jahres ausläuft, die Kosten zu tragen. Altfälle – derzeit sind dies rund 2 500 Suchtkranke – könnten zwar vorerst weiterbehandelt werden. Neue Patienten würden aber auf die strengeren Richtlinien für die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-Richtlinien) verwiesen. Danach können nur Aidskranke, Schwangere und schwer Kranke in das Substitutionsprogramm aufgenommen werden.

Montgomery schätzt, daß dann 80 Prozent der Antragssteller abgelehnt und damit zurück auf die Straße geschickt würden. Bisher war kaum ein Drogenabhängiger, der aufgenommen werden, wollte abgewiesen worden. Rund 380 Anträge liegen derzeit noch vor, so Montgomery. Insgesamt konnte in den vergangenen sechs Jahren über 3 000 Menschen, an die in drei Drogenambulanzen und bei mehr als 170 Vertragsärzten vor allem Methadon-L-Polamidon verabreicht wurde, geholfen werden. Die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales finanzierte die psychosoziale Betreuung. Im vergangenen Jahr waren dies rund 18 Millionen Mark.

Um das Substitutionsprogramm fortschreiben zu können und die Krankenkassen von ihrer „unmenschlichen und rein finanziell motivierten Behandlungsverweigerung“ abzubringen, hat sich Ärzte-Chef Montgomery einiges ausgedacht: Wenn die Kassen brav weiterzahlten wie bisher, dann dürften sie zusammen mit den Ärzten eine Kommission bilden, die Richtlinien über die Häufigkeit und Umfang der Drogenscreenings ausarbeitet, mit dem Ziel, die Kosten zugunsten der medizinischen Behandlung zu reduzieren. Denn die Urinproben, mit denen überprüft werden soll, ob der Substituierte neben Methadon noch andere Drogen nimmt, kosten im Monat bisher 300 Mark pro Patient. Darüber hinaus will man die BAGS bitten, ob nicht die psychosoziale Betreuung vermindert und die dabei freiwerdenden Gelder für die medizinische Behandlung eingesetzt werden könnten. Dann müßten die Kassen weniger zahlen.

Zunächst aber zog sich Montgomery den Zorn der Krankenkassen zu. Gegen die „pauschale Diffamierung der Krankenkassen“ wehrte sich vor allem die Leiterin der Ersatzkassenverbände, Meta Stölken. Vor Wochen hatte sie sich für die Fortschreibung des Vertrages ausgesprochen. Die AOK und die Innungskrankenkasse (IKK) verschanzten sich gestern dagegen hinter vagen Aussagen: Man sei durchaus bereit, über Lösungen auch für neue Fälle zu verhandeln. Dennoch bedürfe es einer vernünftigen rechtlichen Grundlage, sprich die Orientierung an den NUB-Richtlinien. Diese müßten gegebenfalls geändert werden.

Nach Ansicht des Drogenbeauftragten des Senats, Horst Bossong, müßte sich aber auch die Kassenärztliche Vereinigung bewegen, damit das bisher Erreichte nicht gefährdet sei: Würde die bei ihr angesiedelte NUB-Kommission nicht nach abstrakten Richtlinien entscheiden, sondern sich nach dem wirklichen sozialen Elend, dann wäre schon viel geholfen.