Großreinemachen gegen Laubenpieper

■ Große Koalition erhöht Mittel zum Abriß von Kaisenhäusern / Alternative Laubenpieper sollen so ausgetrieben werden / Kritiker reden von Verschwendung trotz angespannter Haushaltslage

Die große Koalition will Bremer Kaisenhäuser plattmachen. SPD und CDU haben jetzt in der Umweltdeputation beschlossen, den Abrißtopf für die Großlauben von 300.000 Mark auf 600.000 Mark zu verdoppeln. Dadurch soll – segnet die Bürgerschaft dies ab – ein „Abrißstau“ vermieden werden, wenn die KaisenhausbewohnerInnen sterben oder ausziehen. Zudem soll das Recht auf einen staatlich bezahlten Abriß auf deren Erben ausgedehnt werden. KritikerInnen bezeichnen dieses Vorgehen jedoch als teure Strategie, um unliebsame Laubenpieper in Kleingartenkolonien loszuwerden.

Benannt wurden die Kaisenhäuser nach dem ehemaligen Bremer Bürgermeister Wilhelm Kaisen. Der hatte nach dem Zweiten Weltkrieg Behelfshäuser legalisiert, die sich ausgebombte Bremer im Grüngürtel aufgebaut hatten. Nach seiner Verordnung darf dort, wer am 18. August 1955 bereits in den ausgebauten Lauben hauste, auf Lebenszeit wohnen bleiben. Inzwischen sind aber einige der Häuser besetzt, illegal untervermietet, stehen leer „oder sind sogar an Unwissende weiterverkauft worden“, so Hartmut Spiesecke, Referent von Bausenator Bernt Schulte (CDU).

Das ist in erster Linie dem Landesverband der Kleingärtner ein Dorn im Auge. Geschäftsführer Dietmar Klepatz: „Das Land ist als Kleingartenfläche ausgeschrieben. Eine dauerhafte Bewohnung wie bei den Kaisenhäusern kann laut Bundeskleingartengesetz nur ein Zwischenstadium sein.“ Zudem habe man bei vielen leerstehenden Häusern Probleme mit Obdachlosen, Fixern oder Mülltourismus. Die gleichen Argumente treiben auch die Großkoalitionäre um. Cornelia Wiedemeyer von der SPD: „Schäden durch Besetzer oder zu erwartende Umweltprobleme etwa wegen alter Ölheizungen können wir nicht hinnehmen.“

Zur Zeit gibt es noch etwa 145 Kaisenhäuser, die abgerissen werden müssen. Das kostet pro Laube rund 50.000 Mark. Macht mindestens 600.000 Mark im kommenden Jahr plus Option für die künftigen Haushalte. Das wiederum bringt die Bremer Grünen auf die Palme. Karoline Linnert, sozialpolitische Sprecherin: „Angesichts der angespannten Haushaltslage sind solche Ausgaben niemandem zu vermitteln.“ Auch Rainer Oellerich, grüner Geschäftsführer sieht „keinen sinnvollen Grund“, plötzlich eine Abrißorgie zu entfachen. So auch einer der „Illegalen“: Er sagte gegenüber der taz: „Wir haben nie Ärger mit den Kleingärtnern gehabt. Im Gegenteil, die waren froh, wenn jemand dauerhaft auf ihre Lauben aufgepaßt hat.“ Nur mit Sickergruben habe es teils Probleme gegeben.

Die Grünen befürchten jetzt, daß der Beschluß der Umweltdeputation einen doppelten Sog auslöst. Zum einen durch die Mittelaufstockung. Zum anderen durch die Tatsache, daß künftig auch Erben Abrißanträge stellen dürfen – und nicht mehr selbst an den Abrißkosten beteiligt werden. Laut Linnert ist dies zwar fast schon ein „sozialer Zug“, diene aber auch nur dazu, die Abrißquote zu erhöhen. Obendrein werde Wohnraum für Randgruppen vernichtet. Kleingartengeschäftsführer Klepatz hält dagegen: „Für diese Alternativ-Lebensformen wird genug getan in Bremen. Ich erinnere nur an das Ökodorf am Dunger Friedhof.“ Auf Kleingartengebiete gehören nach seinen Angaben Kleingärten.

Daß dem aber ohnehin nicht so ist, beweist ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts von Ende 1995. Damals hatten die Richter der Baubehörde ins Stammbuch geschrieben, wenn sie nicht energischer gegen illegalen Ausbau in Kleingartenkolonien vorginge, könne sich das Gericht künftig Einsprüchen von Laubenbesitzern gegen Abrißauflagen nicht weiter verschließen, so Spiesecke vom Bausenator. Im Klartext: Wenn alle Kleingärtner Gartenhäuschen haben, die die zulässigen 24 Quadratmeter überschreiten, verstößt es gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn nur einer seine Großlaube abreißen muß. Wie stringent der Landesverband bei der eigenen Klientel auf die Einhaltung des Bundeskleingartengesetzes achtet, beweist die Kolonie Waller Fleet: Dort sind laut Baubehörde von etwa 1.000 Gartenhäusern 800 zu groß.

Jeti