Es könnte wirklich lustig werden

■ Anglophon, frankophon, feministisch und postmodern: Kanadische SchriftstellerInnen lesen eine Woche lang in der Literaturwerkstatt

„Wer nie im Schnee gespielt hat, kann auch kein Kanadier sein“, hat die Schriftstellerin Margaret Atwood einmal die Frage nach der kanadischen Identität beantwortet. Sie konnte auch ziemlich genau sagen, mit welchen Themen sich die Literatur ihres Heimatlandes beschäftigt: Weite und Wildnis, Kälte und Überleben. So einfach war das damals, Anfang der 70er Jahre. Inzwischen hat die kanadische Literatur dann doch mehr zu bieten als Schnee und simple Antworten – und davon kann man sich ab heute in der Literaturwerkstatt in Pankow eine Woche lang überzeugen. Unter der Überschrift „Writing Through Difference: solitudes canadiennes“ lesen und diskutieren dort neun Schriftsteller und Schriftstellerinnen aus Kanada: anglophon und frankophon, feministisch und postmodern, japanisch und indianisch.

Mit Timothy Findley, der seinen gerade erschienenen Roman „Die Tochter des Klavierspielers“ vorstellt, geht es los. Findley ist einer der wenigen Autoren seines Landes, die überhaupt ins Deutsche übersetzt sind – sein Kollege Dany Laferrière ist dagegen nur zu Hause in Quebec ein Star. Hier kennt man höchstens die Verfilmung seines Romans „Comment faire l'amour avec un nègre sans se figuer“ („Wie man mit einem Neger Liebe macht, ohne müde zu werden“). Laferrière, der in den 70er Jahren vor der Diktatur Duvaliers aus seiner Heimat Haiti geflohen ist, gehört zu den französischsprachigen Autoren Kanadas – wie Nicole Brossard, mit der er am Donnerstag zusammen liest. Laferrière ist eine Spur macho, und Brossard ist eine der wichtigsten Vertreterinnen des feministischen Schreibens in Kanada: Das könnte also lustig werden.

Postmodernes Schreiben war und ist in Kanada ziemlich angesagt. Allerdings mußten die großen Erzählungen erst einmal erfunden werden, bevor man sie dekonstruieren konnte. Robert Kroetsch hat sich darum für seinen neuen Roman „Klondike“, der auch in Deutschland erscheinen wird, einen „Wilden Westen“ inklusive Goldrausch ausgedacht. Daraus liest er am Dienstag vor. Und Lee Maracle, die zu den „First Nation Writers“ gehört, wird ihm dann vermutlich erklären, daß im Durcheinander der Postmoderne die Stimmen der kanadischen Ureinwohner untergegangen sind.

Ein Land, zwei Sprachen, viele Kulturen und noch mehr Geschichten: Zuletzt, am Freitag, liest Hiromi Goto aus ihrem Roman „Chorus of Mushrooms“ – über eine junge, japanischstämmige Kanadierin, deren Familie sich nach der Verfolgung und Internierung während des Zweiten Weltkriegs vollkommen von den eigenen Traditionen abgewandt hat. In Deutschland klingt so etwas wie „multikulturelles Schreiben“ ja immer ein bißchen betulich und bemüht. Aber in Kanada gibt es das wirklich. Kolja Mensing

„Writing Through Difference: solitude canadiennes. Literaturen aus Kanada“. Bis zum 20.11. in der Literaturwerkstatt Pankow, Majakowskiring 45–48, 20 Uhr