Einwände der Alliierten tangieren die USA kaum noch

■ Trotz des irakischen Einlenkens ist die US-Regierung an einer diplomatischen Lösung nicht interessiert. Nicht weil sie eine militärische bevorzuge, sondern weil es keine diplomatische gebe

„Been there, done that“, lautet eine amerikanische Redewendung, die soviel heißt wie: Das hatten wir schon, da wollen wir nicht noch mal durch. Sie eignet sich durchaus, die derzeitige Stimmung in Washington widerzuspiegeln. Man möchte nicht wieder an den Anfang des Spiels zurückgeworfen werden. Es ist bereits das dritte Mal in diesem Jahr, daß Saddam Hussein um die Arbeit der UN-Inspektoren eine Krise vom Zaun bricht und sie bis an den Rand eines Krieges eskalieren läßt, nur um im letzten Moment einzulenken. Wieder mal haben die USA große Luft- und Seeflotten im Golf zusammengezogen. Und angeblich waren die mit Cruise-Missiles bestückten B-52-Bomber schon in der Luft, als der Irak einen Brief des Revolutionsrats vorlegte, der die Wiederaufnahme der UNO- Inspektionen zusicherte.

So ähnlich war es im Sommer auch abgelaufen, als UN-Generalsekretär Annan im letzten Moment von einer Feuerwehrmission aus Bagdad zurückkam und Iraks Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der UNO nach New York mitbrachte. Diesmal begleitet kein Aufatmen Saddams Rückzug vom Abgrund im letzten Moment. Sicherheitsberater Sandy Berger erklärte, das irakische Angebot zur Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit der UNO sei löchriger als ein Schweizer Käse. Das Weiße Haus wolle nicht wieder in eine Situation geraten wie schon mal in diesem im Herbst. Trotz der Zusicherungen des Irak, den Inspektoren alle Türen, auch die der Präsidentenpaläste, zu öffnen, finden seit 100 Tagen keine Waffeninspektionen statt.

Die Amerikaner scheinen sich mit einer doppelten Tatsache abgefunden zu haben: Es ist einerseits unmöglich, den Diktator an der Herstellung biologischer und chemischer Waffen zu hindern. Andererseits ist die Diskussion über Sinn und Zweck eines Bombenkrieges ausgestanden. In den USA behauptet niemand mehr, daß damit das irakische Regime gestürzt oder dessen Waffenprogramm beendet werden kann. Was den Sturz des Regimes anbelangt, so haben sich die USA mit dem im Herbst vom Kongreß verabschiedeten und mit 97 Millionern US- Dollar ausgestatteten „Iraq Liberation Act“ ein neues Instrument geschaffen, das die innerirakische Opposition unterstützen soll. Militärisch geht es nur noch darum, das Waffenprogramm Saddams „zurückzuwerfen“.

Die Situation der US-Regierung ist innen- wie außenpolitisch im November eine andere als im Juni. Im August wurde bekannt, daß Außenministerin Albright mehrfach beim Vorsitzenden der Abrüstungskommission der UNO, Richard Butler, mit der Bitte vorstellig wurde, die unangemeldeten Überraschungsinspektionen einzustellen – die USA wollten nicht schon wieder auf eine Irak-Krise reagieren müssen. Damit gab sich die Clinton-Regierung eine Blöße. Dann trat Scott Ritter, ein US-Mitglied der Unscom, mit der Begründung zurück, die Inspektionen seien eine Farce. In den USA zweifelt heute niemand daran, daß Saddam Hussein systematisch Massenvernichtungswaffen anstrebt und sich an kein Abrüstungsabkommen halten wird.

War US-Präsident Clinton noch vor Wochen tief in den Skandal um Monica Lewinsky und in das gegen ihn eingeleitete Amtsenthebungsverfahren verstrickt, ging er aus den Kongreßwahlen im November gestärkt hervor. Auch international hat Clinton heute ein ganz anderes Standing. Er konnte vorerst das militärische Vorgehen Serbiens und den Völkermord im Kosovo stoppen und brachte in Maryland am Wye River das scheinbar Unmögliche zustande, als er eine Einigung zwischen Israel und der PLO vermittelte. Die USA stehen heute als Friedensstifter eher denn als Kriegstreiber da.

Diese Position schien sich auch zunächst in der Irak-Krise auszuzahlen. Vergangene Woche unterzeichneten Ägypten, Syrien und sechs Golfstaaten eine Erklärung, in der der Irak und nicht die USA für die gegenwärtige Krise am Golf verantwortlich gemacht wird. Selbst Frankreich und Rußland, die sich bisher immer gegen ein militärisches Eingreifen der USA gegenüber dem Irak und für eine Lockerung der Sanktionen ausgesprochen hatten, setzten sich zunächst nicht für den Irak ein. Zwar könnte Saddams Brief im letzten Moment wieder Risse in die Koalition derer gebracht haben, die keinen Widerstand mehr gegen ein militärisches Vorgehen der USA anmelden wollten, doch scheint das den USA egal zu sein. Die USA sind zur Zeit an einer diplomatischen Lösung nicht interessiert. Nicht weil sie eine militärische wollen, sondern weil sie davon überzeugt sind, daß es keine diplomatische Lösung gibt. Peter Tautfest, Washington