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Gesellschaftsbild mit Dame

■ Mit Stoffrosen, Sehnsuchtsschmerz und Süffisanz: Im Deutschen Theater inszenierte Gerardjan Rijnders Kleists „Penthesilea“

Im Anfang war das Wort. Die Lagebeschreibungen des Odysseus, mild-ironisch dahergeleiert von Thomas Neumann. Nein, im Anfang war das Bild. Ein Salon, in dem unterm Kristallüster Damen und Herren einem lauschen, der ein Buch in der Hand hält. Kleist, „Penthesilea“. Immer wieder wird Gerardjan Rijnders Inszenierung im Deutschen Theater von diesem geschmackvoll-enervierenden Gesellschaftston durchdrungen. Immer wieder läßt das Ensemble im stilisierten Raum und Gewand des frühen 19. Jahrhunderts sein Wissen um das böse Ende der Geschichte mitschwingen – müde, von weit her, dann doch wieder Lust bekommend am eigenen Sprechen und mit Aufteilungen und Chorführungen der Sprache experimentierend.

Die Idee hat Charme, doch die Ausführung sind Posen. Mal amüsierte, mal lustlos menschelnde Distanz zur antikisierenden Tragödie, die ein Seelendrama ohnegleichen ist. Der 49jährige holländische Regisseur, der nach „Moffenblues“ im Jahr 1996 zum zweiten Mal am Deutschen Theater inszeniert, schaut von heute aus aufs Damals, sich dabei aber doch so bescheiden gestriger Methoden der Aneignung bedienend, daß es fast schon wieder komisch wirkt.

Wenn nur dies wäre, wäre also nicht viel gewesen. Da ist aber noch mehr. Da ist auch Petra Hartung als Penthesilea, und die läßt sich nicht auf den Salonton ein. Unwirsch schüttelt sie jeden Ansatz zur Verniedlichung dieser Amazone ab. Sie ist herrisch und unmäßig, schweigt oder brüllt, und wenn sie lächelt, dann nur unfroh für sich selbst. Keine Leidenschaft, sondern Qual – die Königin nicht als Kämpferin, sondern Opfer ihres Soseins, voller Sehnsucht, aber unfähig, sich zu verbiegen. Sie will sich hingeben und muß doch siegen. Sie will sich vom Gesetz der Amazonen lossagen und wäre doch nichts ohne dies.

Daß sie so, wie sie ist, nicht leben kann, unterstreicht Rijnders, indem er die Beziehung zu Achilles (Daniel Morgenroth), den sie töten wird, als beiderseitiges narzißtisches Begehren zeigt, während ihr die Freundin Prothoe (Katrin Klein), von der sie am Ende selbst getötet wird, in Selbstlosigkeiten begegnet. Ein Dreieck, das das Thema in archetypischer Klarheit absteckt, vor dem Hintergrund der Salonverschwiemelung aber immer wieder verschwimmt.

Mal sind sich Hartung und Morgenroth furcht- und mitleiderregend nah, ohne sich berühren zu können, mal hockt der soeben zerfleischte Achill nackt und mit Stoffrosen übersät auf dem Boden, als wäre es bei Pierre et Gilles. Tragik und Kitsch, Witz und Peinlichkeit sind so seltsam ineinander verschlungen, als möchte der Regisseur am Ende am liebsten gar nichts gesagt haben.

Wie computeranimiert saust das Ensemble auf die Bühne und verschwindet wieder, in tadelloser Kleidung von Kriegsgemetzel deklamierend. Eine Gesellschaft, die vielleicht mit Absicht nur die flimmernde Fläche abgibt, vor der sich Petra Hartung wie ein Naturereiganis erhebt. Das aber machte die Sache nur noch schlimmer: Denn anzunehmen, daß Penthesilea triebgeleitet und nicht in gesellschaftlichen Bedingungen gefangen sei, wäre letzten Endes auch nichts anderes als das, was hier mit allerhand Mitteln verhindert werden soll: romantische Projektion. Petra Kohse

Heute, 19.30 Uhr, Deutsches Theater, Schumannstraße 13 a

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