Die öffentliche Hand ist der einzig willige Konsument

■ Das Beispiel Japan zeigt, wie keynesianische und monetaristische Rezepte nur begrenzte Wirkung haben, wenn man nicht gleichzeitig die fälligen Reformen in Schlüsselsektoren angeht

Die Weichen für oder gegen eine globale Rezession werden in Japan gestellt. Diese Einsicht hat weltweit Ängste geschürt, die schon mit Reminiszenzen aus der großen Depression der dreißiger Jahre gespickt waren. Tokio hat auf den globalen Druck reagiert: mit einem weiteren gigantischen Konjunkturprogramm. Das achte seit 1992, als mit dem Kollaps der Immobilien- und Aktienpreise in Tokio die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt ins Schlingern geriet und nun in der tiefsten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg steckt. Rechnet man das jüngste Paket hinzu, dann sind in diesen sechs Jahren nicht weniger als 1.400 Milliarden Mark für Konjunkturförderung ausgegeben worden.

Das Resultat ist ernüchternd, wenn man den gegenwärtigen Zustand der japanischen Wirtschaft betrachtet. Täglich werden traurige Rekorde gebrochen: die Arbeitslosenquote auf Höchstmarke, Konkurse auf Rekordhöhe, Selbstmordrate drastisch steigend. Und gleichzeitig nimmt das Gefühl, etwas gegen diese teuflische Spirale im Wirtschaftskreislauf tun zu können, ab. Die öffentliche Hand ist der einzige willige Konsument im Land – auf Pump, versteht sich.

Japan ist zu einem Lehrstück geworden, das zeigt, wie keynesianische und monetaristische Rezepte begrenzte, bestenfalls aufschiebende Wirkung haben, wenn nicht gleichzeitig überkommene Gebilde in der Wirtschaftsstruktur aufgebrochen werden. Mit extremen Zinssenkungen hat Japan über Jahre das Schuldenmachen erleichtert und damit das Überleben des kränkelnden Bankenapparates gesichert. Gleichzeitig sind durch die freigiebige öffentliche Hand längst fällige Umstrukturierungen in Schlüsselsektoren wie der Finanz- und Bauwirtschaft verhindert worden. Die gegenwärtige Rezession gründet zu einem großen Teil in diesen beiden Schlüsselindustrien, die nicht weniger als 27 Prozent der japanischen Arbeitnehmer beschäftigen.

Nun hat sich zu den einheimischen Versäumnissen die Asienkrise und eine drohende Weltwirtschaftskrise gesellt, die für Japan katastrophale Auswirkungen haben könnte. Um nicht zum Auslöser einer weltweiten Deflationswelle zu werden, hat Tokio zuletzt den einzigen Ausweg aus dem Dilemma zögerlich eingeschlagen: die gezielte und massive Inflationierung der eigenen Wirtschaft über negative Realzinsen, das Anwerfen der Notenpresse und das Hochfahren der öffentlichen Verschuldung. Der Trend ist spätestens mit dem gestrigen Konjunkturpaket klar. Bereits das Banksanierungspaket vom Oktober wies in diese Richtung. Der Kraftakt ähnelt einer Verzweiflungstat. Die Botschaft an die Bevölkerung lautet: Wer Verluste vermeiden will, muß konsumieren oder sein Geld in Immobilien und Aktien investieren. Die Rechnung für diese neuen Exzesse soll erst mit Wachstum und Inflation bezahlt werden.

Spätestens im Jahre 2005, wenn die öffentliche Hand vollends pleite ist, wird die Quittung kommen: steigende Zinsen und angezogene Steuerschrauben. Darum ist die japanische Regierung nun gut beraten, die versäumten Strukturreformen besser heute als morgen anzupacken, um dann mindestens den Mittelstand nach dem Jahre 2005 mit einer überzeugenden Vision eines Japans im 21. Jahrhundert etwas zu entlasten.