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Profil für die Provinz

■ Kommt Kopie des Hannah-Arendt-Nachlasses an die Uni Oldenburg? / Hunte-Stadt wäre dann die „europäische Filiale“ der internationalen Hannah-Arendt-Forschung

An der Uni Oldenburg soll eine europäische Filiale der internationalen Hannah Arendt-Forschungsstelle entstehen. In dem Archiv des zukünftigen Forschungszentrums soll eine Kopie des gesamten Nachlasses der Philosophin zugänglich gemacht werden, der derzeit an der New Yorker „New School of Social Research“ verwaltet wird. Von da an werden sich europäische Forscher den Weg in die USA sparen können, wenn sie Manuskripte, Briefe und Aufzeichnungen einsehen möchten.

Hauptfigur beim Aufbau des Zentrums wird die 54jährige Politikwissenschaftlerin Antonia Grunenberg sein. Im Sommer wurde sie auf eine neue Stiftungsprofessur in Oldenburg berufen, die sich hauptsächlich mit der politischen Philosophie Arendts befassen soll. Grunenberg verhandelt derzeit mit der „New School“, wo Hannah Arendt viele Jahre lehrte, über die Kopie des Nachlasses. Die 64.000 archivalischen Einheiten werden dann – bundesweit einzigartig – komplett an der Oldenburger Uni archiviert. Arendt bestimmte, daß sämtliche Unterlagen 20 Jahre nach ihrem Tod in öffentlichen Besitz übergehen sollten. So können alle Akten ohne aufwendige und vor allem teure Copyrightverhandlungen mit privaten Erben veröffentlicht werden.

Ins Leben gerufen haben das Oldenburger Projekt Antonia Grunenberg und Ex-Unipräsident Michael Daxner. Begonnen hatte alles mit einer Anfrage der „New School“. Die Amerikaner suchten einen deutschen Kooperationspartner für die Herausgabe des noch unpublizierten Nachlasses parallel zur amerikanischen Ausgabe. Wegen mangelnder editorischer Erfahrung mußt die Uni Bremen allerdings passen. Da griff die Oldenburger Konkurrenz zu.

Wie groß die Ausbeute an Unveröffentlichtem sein wird, kann im Moment niemand genau sagen: „Wir werden sicher keine unbekannten Buchmanus-kripte mehr finden“, räumt Kraiker vom politikwissen-schaftlichen Institut ein, „es gibt allerdings noch uneditierte Vorlesungen, Vorträge und Briefe.“ Kraiker, der bereits für die nötige Infrastruktur vom Lesegerät bis zur wissenschaftlichen Hilfskraft sorgte, hofft, daß um die Forschungsstelle und das Archiv herum eine „europäische Filiale“ der internationalen Arendt-Forschung entstehen wird. So soll die norddeutsche Sozialwissenschaft an internationalem Profil gewinnen.

Für die Detailarbeit – sichten, prüfen, transikribieren, ordnen und katalogisieren – wird ein Expertenteam zuständig sein: Michael Daxner als Soziologe, Antonia Grunenberg, Gerhard Kraiker und Ahrlich Meyer als Politik- sowie Dirk Grathoff als Literaturwissenschaftler. Neben der Sammlung des Nachlasses kommt auf sie vor allem das Fernziel einer kritischen Gesamtausgabe zu, die es bis heute nicht gibt.

Ohne Förderung von dritter Seite wäre das teure Projekt allerdings nicht zu realisieren gewesen. Die Professur wird zwei Jahre lang von der Stiftung Niedersachsen mit insgesamt 420.000 Mark gefördert – eine Anschubfinanzierung, später trägt die Uni die Kosten. 150.000 Mark steuert die Hamburger Körber-Stiftung für die Verfilmung des Nachlasses bei, der in 90 Containern der „Library of Congress“ liegt. Allein die Verfilmung auf Mikrofiches dürfte schätzungsweise 35.000 Mark kosten, der Rest fließt in PCs und Lesegeräte.

Seit der Wiedervereinigung gibt es einen „Neuen Blick“ auf das Werk der Philosophin. Im Kalten Krieg wurde ihr der Vergleich von kommunistischem und nationalsozialistischem Totalitarismus vorgeworfen, heute werden vor allem die Arbeiten zur Demokratietheorie, zum Holocaust und zur politischen Freiheit gelesen. Mit Kolloquien und Symposien soll das Zentrum Wissenschaftler aus aller Welt anlocken. Mit bereits bestehenden Forschungsstellen, wie dem Literaturarchiv Marbach oder dem Dresdener Zentrum für Totalitarismusforschung, wollen die Oldenburger zusammenarbeiten. Damit Archiv und Forschungsstelle keine rein universitäre Angelegenheit bleiben, sind außerdem öffentliche Vorträge und andere Veranstaltungen geplant.

Eva Tenzer

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