Milliarden für Italiens Nudelsuppen

■ Der Europäische Rechnungshof kritisiert Schlamperei und Verschwendung in der EU – aber weniger scharf als in den Vorjahren

Brüssel (taz) – Auch im vergangenen Jahr hat die EU-Kommission wieder Beihilfen für Fischkutter bezahlt, die bereits gesunken waren. Das ist kein Einzelfall. Auf 180 Seiten listet der Europäische Rechnungshof in seinem gestern dem Europaparlament vorgestellten Jahresbericht auf, was 1997 so alles schiefgelaufen ist. Im wesentlichen kommen die Prüfer dabei zu dem Schluß, daß die Kontrollen unzureichend sind.

Wie viele Milliarden die EU im letzten Jahr falsch oder unnütz ausgegeben hat, darüber wollten die Rechnungsprüfer diesmal nicht spekulieren. In der Parlamentsdebatte fiel die Zahl 2,5 Prozent, was angesichts der unübersichtlichen Verwaltung gar nicht so viel wäre. Überhaupt blieb der Präsident des Rechnungshofes, Bernhard Friedmann, mit seiner Kritik erstaunlich zurückhaltend. Er sprach auch nicht von Betrug, sondern vor allem von Unregelmäßigkeiten, also von falsch verbuchten Ausgaben, ungenügender Kontrolle und politisch gewollten Verfehlungen.

Der letzte Vorwurf trifft vor allem die Regierungen der Mitgliedsländer, die etwa in der Agrarpolitik unsinnige Beihilferegeln aufrechterhalten. So haben beispielsweise die Landwirtschaftsminister zur Förderung des Hartweizenanbaus mehr Zuschüsse beschlossen, als die gesamte Produktion wert ist. Hartweizen wird vorwiegend in Norditalien angebaut und für hochwertige Nudeln verwendet. Eine ganze Region lebt von dieser Monokultur. Ein Abbau der Beihilfen, so die Befürchtung der italienischen Regierung, würde viele Bauern zum Aufgeben zwingen und den Landstrich entvölkern.

Ein Argument, dem sich die anderen Landwirtschaftsminister gerne anschließen, schließlich hat jeder von ihnen irgendeine landwirtschaftliche Spezialproduktion zu Hause, die er mit einer ähnlichen Begründung von der EU bezuschussen läßt. Nach Ansicht des Rechnungshofes hätten in den vergangenen vier Jahren rund sechs Milliarden Mark eingespart werden können, wenn man den Bauern für ihr Überleben einen Scheck geschickt hätte.

Ähnlich wie in der Landwirtschaft werden nach Einschätzung des Rechnungshofes auch bei den Strukturhilfen für wirtschaftlich schwache Regionen viele Milliarden ineffizent ausgegeben. Die größte Verantwortung treffe dabei die Mitgliedsstaaten, die mit EU- Geld lockerer umgehen als mit eigenen Haushaltsmitteln.

Bei der EU-Kommission bemängelte der Rechnungshof vor allem die mangelhafte Überwachung der Ausgaben. So seien die Aufträge für die Sicherung der maroden Kernkraftwerke in Mittel- und Osteuropa, insgesamt rund 1,6 Milliarden Mark, oft freihändig an westliche Berater und Kraftwerksfirmen vergeben worden. Diese hätten dann Studien über Studien angehäuft, ohne das Kernproblem wirksam anzupacken. Sie hätten zudem die schlampige Abrechnungspraxis der EU-Kommission schamlos ausgenutzt.

Allerdings räumte der Rechnungshof ein, daß die EU-Kommission zuwenig Personal habe, um ihre Aufgaben zuverlässig zu erfüllen. Der zuständige EU-Kommissar Erkki Liikanen meinte dazu lapidar: „Mehr bekommen wir nicht.“ Die Mitgliedsländer wollten keine Aufstockung der EU- Bürokratie. Alois Berger