Poppe widerspricht Schily

■ Menschenrechtsbeauftragter Poppe will Asyl für Opfer nichtstaatlicher Verfolgung

Bonn (taz) – Der Menschrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Gerd Poppe, hat sich gegen die Ansicht von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) gewandt, allein staatliche Verfolgung könnte weiterhin Grundlage zur Gewährung von Asyl in Deutschland sein. Poppe sagte gestern in Bonn, die Unterscheidung zwischen staatlicher und nichtstaatlicher Verfolgung sei nicht sinnvoll. In Zukunft müsse statt dessen länderspezifisch entschieden werden.

Poppe führte anhand von Beispielen aus, welche Folgen die jetzige Regelung habe. So könne eine Verfolgung durch das radikalislamistische Talibanregime in Afghanistan zur Zeit in Deutschland nicht als Asylgrund anerkannt werden. Die Taliban beherrschen fast ganz Afghanistan, sind aber außer von Pakistan von keinem Staat als legitime Regierung anerkannt. Damit gelten Menschenrechtsverletzungen der Taliban prinzipiell als nichtstaatliche Verfolgung. Ähnlich ist es in Algerien. Poppe beschrieb, daß nach geltendem Recht ein Terrorist der islamistischen GIA in Deutschland auf Asyl hoffen könne, weil er staatlicher Verfolgung durch die Militärregierung Algeriens ausgesetzt sei. Ein algerischer Intellektueller, dessen Leben von der GIA bedroht sei, könne diese nichtstaatliche Verfolgung hingegen nicht als Asylgrund geltend machen. Bundesinnenminister Schily hatte am Wochenende in einem Zeitungsinterview gesagt: „Wenn man generell auch nichtstaatliche Verfolgung als Asylgrund anerkennen will, gäbe es praktisch keine Begrenzung mehr bei der Aufnahme von Flüchtlingen.“ Poppe widersprach auch hier. Er glaube nicht, daß es zu einer Flüchtlingswelle komme, würde nichtstaatliche Verfolgung ins Asylrecht eingeschlossen. Poppe, in der vergangenen Legislaturperiode bündnisgrüner Bundestagsabgeordneter, will sich auch in Zukunft mit Schily streiten, sollten in seinem Verantwortungsbereich als Menschenrechtsbeauftragter Konflikte entstehen. Weiter kündigte er an, auch auf die Einschätzungen von regierungsunabhängigen Organisationen zur Beurteilung der Menschenrechtslage in einigen ausländischen Staaten zurückzugreifen. Dies gelte auch für die Erstellung von Berichten für Ausländerbehörden. Diese Behörden, die über die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber entscheiden, nutzen bisher vor allem die Lageberichte der deutschen Botschaften in den entsprechenden Ländern. In der Vergangenheit sei bei Abschiebungen die Menschenrechtssituation im Aufnahmeland des Flüchtlings nicht immer ausreichend berücksichtigt worden. Robin Alexander