Time to say Tschüß

■ Der Saxophonist Joshua Redman zollt den üblichen Potpourri-Verdächtigen Tribut

Preisfrage: Wer von den wenigen Stars im Jazz schaltet und waltet nach eigenem musikalischen Belieben? Die vielen Sternchen jedenfalls wetteifern geradezu im Ablegen eventuell noch vorhandener Ungezogenheiten und produzieren an der kurzen Leine ihrer Plattenfirmen ein Kunststückchen nach dem anderen. Dem Saxofonisten Joshua Redman lachte bisher insofern das Glück des Tüchtigen, als er sich auf seinem Weg nach oben stilistisch nicht groß zu verrenken brauchte. Der berühmte Sohnemann favorisiert nun mal eine halb so feurige, sprich doppelt so brave Spielart wie sein Vater, der Tenorsaxophonist Deway Redman, ist aber trotzdem zu einem Klassemusiker gereift. Allein schon sein Sound ist für weiche Knie gut.

Das Repertoire des Alleskönners, der wie selbstverständlich sowohl Tenor- und Sopran- als auch Altsax zum Einsatz bringt, zollt gestandenen Traditionen nicht nur pflichtschuldig Tribut, sondern verherrlicht sie. Joshua Redman ist mit seinem unentwegten guest-starring bei Metheny, Haden, Hancock und Konsorten sowie fünf eigenen Alben von Reifeprüfung zu Reifeprüfung geeilt, um nun eine akkurate Doktorarbeit vorzulegen: Timeless Tales For Changing Times ist ein musikalisches Poesiealbum, bestückt mit den üblichen Potpourri-Verdächtigen von Gershwin bis Cole Porter plus Eleanor Rigby und Dylans „The Times They Are A-Changing“.

Das tönt besser, als es sich liest, und hat erfreulich wenig mit den konzeptuellen Schnapsideen und faulen Zauberformeln zu tun, wie sie bei gewissen Produzenten zur Zeit Mode sind. Bei Blue Note bekamen einige Vertragsartisten Pop-Klassiker in kompletter Albenlänge zur gefälligen Neuinterpretation im Geiste gehobener Jazzmusik untergejubelt. Charlie Hunters Remake von Bob Marleys „Natty Dread“ etwa bringt, man höre und staune, die Ironie dieses Schicksals durchaus reizvoll zum Klingen. Manchmal aber wiederholen sich auch einfach nur besonders traurige Geschichtskapitel, wenn etwa Mark Whitfield im Hause Verve wie weiland Wes Montgomery gegen ein fettiges dickes Streichorchester antreten muß.

Joshua Redman hat kürzlich in einem Interview den Wunsch geäußert, einmal mit jemandem wie Ornette Coleman zusammenzuspielen. Das ist noch kein Hilferuf, sondern ein durchaus faires Angebot. Weil Redman tatsächlich viel künstlerisches Potential mitbringt. Und intakte Chancen zu seiner Realisierung. Womöglich nutzt er sogar schon die nächste, die sich live bietet: in der Fabrik, mit Aaron Goldberg (Piano), Reuben Rogers (Bass) und Greg Hutchinson (Schlagzeug). Repertoire hin oder her.

Andreas Schäfler Di, 24. November, Fabrik, 21 Uhr