Wenn 13 Dörfler für die Behörden Luft sind

■ Das kleine Dorf Göttin leidet noch heute unter der Volkszählung von 1987

Ein kleines Dorf im Kreis Herzogtum Lauenburg leidet noch heute unter den Folgen der Volkszählung vor elf Jahren. Damals wurden in Göttin 48 Einwohner gezählt. „Das sind 13 zu wenig.“ Bürgermeister Eckhard Maaß kennt seine Dörfler alle persönlich. Doch das ficht das Statistische Landesamt nicht an. Das benutzt die Daten der 1987 erhobenen Volkszählung als Grundlage für die Fortschreibung der Einwohnerzahlen, auch wenn sie falsch sind. Abgesichert ist diese Zählweise per Gesetz.

„1987 muß sich jemand verzählt haben“, meint dagegen Maaß. Jedes Jahr fehlen ihm rund 6000 Mark in der Gemeindekasse, weil sich die Höhe des kommunalen Finanzausgleiches unter anderem nach der Zahl der Einwohner richtet. Bei einem Jahresetat von etwa 110.000 Mark ist der Gemeinde Göttin seit der Volkszählung etwa die Summe eines halben Jahreshaushaltes verloren gegangen.

Aus Sicht des Kieler Innenministeriums sind die unterschiedlichen Einwohnerzahlen „geringfügige und damit hinnehmbare Abweichungen“, erklärt ein Sprecher. In Göttin beläuft sich diese Abweichung auf mehr als 20 Prozent: „Eine große Stadt wie Lübeck würde da einen riesigen Protest veranstalten“, vergleicht Maaß.

Der Kleinstgemeinde verursacht das gewaltige finanzielle Probleme. „Schon wenn wir eine Straße renovieren müssen, schnappen wir nach Luft“, sagt Maaß. „Und wenn wir jetzt noch die anstehende Erneuerung der Brücke über den Elbe-Lübeck-Kanal mitbezahlen sollen, sind wir am Ende.“

„Wir sind zu klein“, bedauert Maaß, Göttin habe eben keine Lobby. Kleinstgemeinden – in Schleswig-Holstein gibt es 29 Dörfer mit weniger als 70 Einwohnern – seien bundesweit selten. Viele Abgeordnete, Verbände und Behörden hätten sich damit befaßt, niemand habe etwas erreicht. Ein entsprechender Musterprozeß vor dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht sei verloren worden. Dabei könnten sich in Göttin alle Bürger auf dem Dorfplatz versammeln und einer müßte durchzählen, schlägt Maaß vor. Aber auch das reicht den Kieler Behörden nicht.

Inzwischen denkt der Bürgermeister darüber nach, wie man die Landesbehörden austricksen könnte. Wenn sich etwa alle Bürger Göttins an einem Tag beim Amt ab- und am nächsten Tag wieder anmelden, dann könnte sich auch das Statistische Landesamt nicht mehr gegen die 61 Einwohner stemmen. Das Problem: Einige ältere Dörfler sehen nicht ein, warum sie diesen „Zirkus“ mitmachen sollten. Dennoch will Maaß sich von seinem Gedankenspiel nicht abbringen lassen. Vielleicht ist ihm die Göttin ja hold bei diesem Akt zivilen Ungehorsams. Sven Bardua