Zähes Ringen um harte Kriterien

■ Die Bundesregierung überlegt noch, wann Flüchtlinge ein Bleiberecht erhalten, die schon jahrelang in Deutschland leben. Beinahe hätte ein Vorstoß auf Länderebene Fakten geschaffen

Berlin (taz) – Die rot-grüne Koalition in Bonn hat einen konfliktträchtigen Punkt in ihrer Ausländerpolitik vorerst umschifft. Auf der heute beginnenden Innenministerkonferenz (IMK) sollte ursprünglich eine sogenannte Altfallregelung für langjährig in Deutschland lebende Flüchtlinge festgeklopft werden. Ein Schnellschuß, noch bevor die Koalition sich auf eigene Vorschläge zu diesem Thema verständigt hat.

Auf der Tagesordnung der IMK stand ein Vorschlag des rheinland- pfälzischen Innenministers Walter Zuber (SPD), der einer künftigen Bleiberechtsregelung äußerst enge Grenzen gesetzt hätte. Nachdem sowohl Grüne als auch Kirchen, Flüchtlingsorganisationen und Wohlfahrtsverbände Kritik angemeldet haben, heißt es nun, es herrsche „weiterer Diskussionsbedarf“. Möglicherweise wird sich die IMK nun der Empfehlung einiger SPD-Länder anschließen, „eine länderoffene Arbeitsgruppe“ einzurichten, die unter Federführung des Bundesinnenministers bis zum nächsten Frühjahr Kriterien für eine „stichtagsbezogene Bleiberechtsregelung“ erarbeiten soll.

Der rheinland-pfälzische Vorstoß hätte auf Länderebene Fakten geschaffen bei einem Thema, das die Grünen nur mit Mühen in den Koalitionsvertrag gehievt haben. „Wir wollen gemeinsam mit den Ländern eine einmalige Altfallregelung erreichen“, heißt es dort nur. Das „Wie“ ließ dieser knappe Satz offen.

Dafür preschte Rheinland-Pfalz vor: Nur Flüchtlinge, die bereits acht Jahre und länger in Deutschland leben, sollten von einer Altfallregelung profitieren. Für Familien mit Kindern sollte ein mindestens fünfjähriger, straffreier Aufenthalt Voraussetzung für ein dauerhaftes Bleiberecht sein. Zudem sollte es Bedingung sein, daß die Betroffenen ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familie ohne staatliche Hilfe aus der Sozial- oder Arbeitslosenhilfe sichern können. Eine Anforderung, die das Gros der Flüchtlinge kaum erfüllen könnte. Denn für Asylbewerber gilt nach einem Erlaß der alten Bundesregierung ein striktes Arbeitsverbot. Auch Flüchtlinge mit Arbeitserlaubnis haben wenig Chancen. Mit einem von Monat zu Monat befristeten Aufenthaltstitel finden sie kaum einen Job.

Welch minimalen Effekt eine solche, jetzt gerade noch ausgebremste Altfallregelung gehabt hätte, haben die Innenminister schon einmal vorexerziert. 1996 verabschiedeten sie eine fast deckungsgleiche „Härtefallregelung für ausländische Familien mit langjährigem Aufenthalt“. Die Auflagen erwiesen sich als so restriktiv, daß bundesweit nur rund 8.000 Flüchtlinge davon profitierten.

Wenn die IMK jetzt die Präzisierung einer künftigen Altfallregelung einer Arbeitsgruppe übertragen sollte, beginnt in der Koalition ein hartes rot-grünes Ringen. Umstritten ist, wie lange die Betroffenen schon in Deutschland leben müssen — die grüne Ausländerbeauftragte Marieluise Beck plädiert für eine Frist von fünf Jahren — und wieviel eigenes Einkommen sie vorweisen müssen. Klärungsbedürftig ist auch, ob die Altfallregelung nur für Asylbewerber oder auch für geduldete Flüchtlinge – zum Beispiel Kriegsflüchtlinge – aus Bosnien gelten soll. Vera Gaserow