Pockerspiel um die Wesermarsch

■ Im Auftrag der Stadt ziehen Makler durch Hemelingen, Arbergen und Mahndorf, um Marschland zu kaufen. Aber die Bauern zocken mit. Das geplante Gewerbegebiet wird teurer.

Alles schien so schlau vorbereitet für den Einkaufszug durch die feuchten Wiesen und saftigen Äcker an der Weser: Der Bremer Wurtskönig Karl Könecke hatte der landeseigenen Finanzierungsgesellschaft Hibeg 28 Hektar in der Hemelinger und Arberger Marsch für den recht günstigen Preis von 3,5 Millionen Mark verkauft. Von dem Deal mit Könecke sollte eine „Sogwirkung“ ausgehen. So hoffte die Wirtschaftsbehörde Ende vergangenen Jahres, als die Wirtschaftsförderungsausschüsse der Hibeg eine Bürgschaft über den Kaufpreis bewilligten.

Auch die anderen rund 80 Grundbesitzer auf dem insgesamt 760 Hektar großen Gelände sollten dadurch bewegt werden, ihr Eigentum für 12 Mark pro Quadratmeter – am Außendeich sechs Mark – an die Stadt zu verkaufen und den Weg freizumachen für die Bagger. Die sollen irgendwann Äcker und Wiesen in das Gewerbegebiet Hansalinie verwandeln.

Aber die von der Hibeg Nachfolgegesellschaft BIG beauftragten Makler von Gröning & Wätjen beißen sich die Zähne aus an den Hemelingern, die mit ihrem hinhaltenden Widerstand die Preise hochtreiben. Wenn Könecke da „mit den Politikern rumkunkelt“, sei ihm das egal, sagt ein Landwirt.

Wie Insider berichten, haben sich die Eigentümer weder zu Gruppen zusammengeschlossen, noch haben sie – wie gewünscht – ein Verkaufsangebot abgegeben. „Warum sollten wir denen was anbieten“, fragt stellvertretend für andere der Bauer Walter Höhne. „Wenn der Staat was will, soll doch Senator Hattig sich hier hinstellen und uns das sagen.“

Aber das ist die Crux für die Stadt: Offiziell gibt es noch nichts zu sagen. Denn die Erweiterung der Gewerbefläche in der Hemelinger Marsch ist zwar von vielen gewünscht, bisher aber weder offiziell politisch beschlossen noch bauplanerisch umgesetzt. Dennoch pokern viele auf Bauland-Preise: Das könnte nach Aussagen von Maklern bis zu 30 Mark oder mehr pro Quadratmeter kosten. „Mit zwölf oder 15 Mark laufen sie gnadenlos auf“, sagt ein Grundeigentümer.

Für die Stadt wird das Gewerbegebiet immer teurer. Hinzu kommt, daß die erschlossenen Grundstücke längs der Autobahn nur mit gewaltigen Preisnachlässen zu verkaufen sind. So mußte in der Hemelinger Marsch ein Autoteile-Großhändler für seine 8.000 Quadratmeter nur jeweils 63 Mark bezahlen.

Vor einer Enteignung haben zumindest die Bauern wenig Angst. „Für bloße Vorratshaltung können sie das nicht machen“, meint Bauer Höhne nach Rücksprache mit seinem Anwalt. „Sie müßten schon konkreten Bedarf für die Flächen nachweisen.“ Seine Familie bewirtschafte den Hof schon seit 15 Generationen, sagt Höhne. Die saftigen Marschböden werfen gute Erträge ab, mit Direktvermarktung verdiene man gutes Geld. „Wenn wir da rausgekauft werden sollen, wird das teuer“, sagt Höhne und spricht für die zehn aktiven Landwirte in der Marsch.

Der Ortsbeirat, Ortsamtsleiter Hans-Günter Köhler und Gisela Lohße-Trommsdorff von der örtlichen Bürgerinitiative hoffen, daß der Preispoker die Zerstörung des Landschaftsschutzgebiets verhindern möge. Auf jeden Fall blockiert der Zugriff des Wirtschaftsressorts den Bau von Windkraftanlagen. Eigentlich waren die Bauern bereit, für 4.000 Mark im Jahr Windräder auf ihre Äcker stellen zu lassen. Nachdem die Makler aktiv geworden sind, haben sie ihre Meinung geändert. Joachim Fahrun