: Provokante Hauptversammlung
Greenpeace protestiert vor den RWE-Aktionären gegen überhöhte Tarife bei der Stromdurchleitung. Energiekonzern fordert von der Politik „Friedenspflicht“ für Energiekonsensgespräche ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt
Frankfurt (taz) – Die knapp 5.000 Shareholder, die gestern zur Hauptversammlung des Energiekonzerns RWE nach Essen in die Grugahalle strömten, kamen an Greenpeace nicht vorbei. Die Umweltschutzorganisation hatte ihnen eine Windkraft- und eine Solaranlage sowie das Modell eines Blockheizkraftwerkes in den Weg gestellt. Es wurde Flagge gezeigt: „RWE-Strom: Nein, danke!“
Zum Ärger von RWE-Boß Dietmar Kuhnt rief Greenpeace zur „Aktion Stromwechsel“ auf, an der sich bereits 40.000 VerbraucherInnen in ganz Deutschland beteiligen. Auch private Stromkunden können nämlich inzwischen ihren Strom von umweltfreundlichen Anbietern beziehen – allerdings durch die bestehenden Netze der großen Energieversorgungskonzerne. Mit mehr als 13 Pfennigen Gebühr pro Kilowattstunde für die Durchleitung blockiert aber gerade RWE den „Stromwechsel“. Für den Energieexperten von Greenpeace, Sven Teske, ein „unglaublicher Machtmißbrauch“, den die Bundesregierung beenden müsse. RWE sei scheinheilig. Denn in Sachen Telekommunikation habe die nur Verluste erwirtschaftende RWE-Tochter o.tel.o gegen die angeblich überhöhten Gebühren für die Nutzung der bestehenden Telekomnetze die Gerichte angerufen.
Kuhnt ficht das nicht an. Sein Konzern hat im Geschäftsjahr 97/98 einen Gewinn von 1,4 Milliarden Mark gemacht. Die (hohen) Preise für die Durchleitung von Strom konzernfremder Anbieter könnten jetzt auch im Internet oder per E-Mail abgerufen werden. Für das Vorstandsmitglied der RWE Energie AG, Rolf Bierhoff, ein „Zuwachs an Transparenz und Kundennähe“. Für Greenpeace und die kritischen Aktionäre „eine weitere Provokation“, wie Eduard Bernhard, Vorstandsmitglied beim Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) anmerkte. Und provokant auch die Forderung von Kuhnt an die Adresse der Politik nach einer „Friedenspflicht“ für die Dauer von Energiekonsensgesprächen. Die rechtliche Position der AKW- Betreiber dürfe nicht vorab verschlechtert werden. Es dürfe keinen „ausstiegsorientierten Gesetzesvollzug“ und auch „keine Politik der Nadelstiche auf Länderebene“ geben. Die Atomaufsicht in Hessen hatte am Tag zuvor den Strahlenschutzbeauftragten im AKW Biblis (RWE) abgelöst, weil „erhebliche Bedenken“ gegen dessen Zuverlässigkeit bestünden. Ergänzend dazu bot die rot-grüne Landesregierung RWE „Verhandlungen über eine Nachfolgenutzung“ von Biblis an – eine „Provokation“ für Kuhnt.
Ein Provokateur soll auch der langjährige RWE-Vorstandskollege (Umwelt) von Kuhnt und kommissarische Vorstandsvorsitzende der RWE Energie AG, Werner Hlubek, gewesen sein. Der Mann habe Kritik am Konzept Garzweiler II geübt, hieß es. RWE dementierte. Doch Hlubek scheidet mit sofortiger Wirkung bei RWE Energie aus. Sein Nachfolger saß schon auf der Vorstandsbank: Manfred Remmel, Ex-Topmanager von Mercedes-Benz.
Mehrfachstimmrechte für RWE-Aktien, die von Kommunen in NRW gehalten werden, gibt es nicht mehr. Die neuen Stammaktien gingen im Börsenhandel weg wie warme Semmeln. Das Grundkapital von RWE besteht deshalb heute aus 85,2 Prozent Stammaktien mit einfachem Stimmrecht und 14,8 Prozent Vorzugsaktien ohne Stimmrecht.
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