„Nobelpreis für Medizin verdient“

■ Infoveranstaltung der Anonymen Alkoholiker im CCH

Bestimmt 1000 Menschen sitzen im großen Saal des Hamburger Congress-Centrums, und alle scheinen sich hier zu kennen. Hauptsächlich Paare sind zur Informationsveranstaltung der „Anonymen Alkoholiker (AA)“ gekommen, aber auch viele Familien mit Kindern. Immer wieder sieht man Menschen, die freudestrahlend aufeinander zueilen und sich umarmen.

Auf der Bühne des CCH schildern andere unterdessen ihren Weg zunächst in den Alkoholismus, später in die Selbsthilfegruppen AA, „Alanon“ und „Alateen“ hinein. „Klaus“ zum Beispiel erzählt seine tragische Geschichte: Die Mutter in der Psychiatrie, der Vater mit den Kindern überfordert, er in wechselnden Familien, „verstoßen“, wie er unter Anteilnahme des Publikums preisgibt – als er plötzlich scharf fragt: „Und warum erzähle ich das alles?“ Und über seine eigene Vergangenheit höhnt: „Ich bin vor Selbstmitleid zerflossen.“

Verdammt einfach sei es gewesen, weiß er heute, die Schuld seinen Eltern zuzuschieben. Denn das hätte ihn davon abgelenkt, zu erkennen, daß Alkoholismus eine Krankheit ist. Da mußte er erst ganz am Boden sein, ganz unten, ohne Beziehung, FreundInnen, Job, bis er endlich zu einem Arzt ging und ihm anvertraute, daß er Probleme mit Alkohol habe. Seit sechs Jahren ist er mittlerweile „trocken“.

Doch das allein reicht nicht, hat „Petra aus Halle“ erfahren. Vier Jahre schon besuchte sie regelmäßig die Gruppe für Angehörige von Alkoholikern, „Alanon“, als ihr Mann immer noch soff. Dann endlich ging er zur Entgiftung, sie schöpfte Hoffnung – und „alles ging weiter wie vorher, nur daß er nicht mehr trank“: depressive Phasen und Selbstmitleid. Um die Selbsthilfegruppen machte er einen weiten Bogen.

Davon, daß erst die „Anonymen Alkoholiker“, „Alanon“ und „Alateen“ AlkoholikerInnen ihre Krankheit verstehen lassen, ist der Arzt Friedrich Ingversen überzeugt: „Sie hätten den Nobelpreis für Medizin verdient.“ ee