■ NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement und seine neue Rolle
: Der rote Stoiber

Es war Ende vergangener Woche, als Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber und sein nordrhein- westfälischer Amtskollege Wolfgang Clement einträglich auf einer Pressekonferenz nebeneinandersaßen. Sie wollten sich in der Finanz- und Europapolitik verstärkt abstimmen, verkündeten der Christsoziale und der Sozialdemokrat, die föderalen Strukturen in Deutschland und Europa zum Thema machen. Die Kritiker wähnten bereits einen rot-schwarzen Geheimbund. Ob es dazu kommen wird – geheim dürfte er wohl kaum sein –, wird die Zukunft zeigen. Beide haben zumindest ein Signal an Bonn ausgesandt: Mit den Ländern ist auch unter einer rot-grünen Bundesregierung zu rechnen. Wer geglaubt hatte, die neue Koalition im Bund würde ihre Gesetze nunmehr reibungsloser durch den Bundesrat bringen, hat sich verrechnet. Eine neue Achse München–Düsseldorf könnte gegen Rot-Grün im Bund agieren – das Gewicht dazu haben die beiden größten und finanzstarken Länder allemal.

Clement nutzte den gemeinsamen Auftritt, um sich um so bestimmter als bundespolitische Größe in seiner Partei ins Gedächtnis zu bringen. Das ist verständlich, weil die SPD ihn zuletzt gedemütigt hat. Zu den Koalitionsverhandlungen in Bonn wurde er – obwohl es sein sehnlicher Wunsch war – nicht eingeladen. Clement mußte sich mit der Rolle des Beobachters begnügen – und nur wenige Tage später erlebte Düsseldorf einen erneuten Koalitionskrach zwischen SPD und Grünen wegen Garzweiler II.

Daß Clement nun zusammen mit Stoiber auftrat, macht durchaus Sinn. Schließlich war es der CSU- Politiker, der während der schwarz-gelben Koalition in Bonn von Zeit zu Zeit das Enfant terrible spielte, der zunehmend auf Distanz ging, als sich die Abwahl der Bundesregierung Kohl abzeichnete. Diese leise Abkehr zahlte sich für Stoiber zuletzt mit einem klaren Sieg bei den Landtagswahlen in Bayern aus.

Ähnliche Gedanken dürften Clement umtreiben. Von ihm ist bekannt, daß er am liebsten eine Große Koalition im Bund gehabt hätte – natürlich unter Führung der SPD. Das rot-grüne Bündnis im eigenen Land Nordrhein-Westfalen würde er, könnte er es nur, am liebsten beenden. Seine Absetzbewegung von der neuen Bundesregierung in Bonn hat Clement strategisch klug eingefädelt. Denn je mehr sich die rot- grünen Akteure verheddern, um so mehr wird die Enttäuschung im Lande wachsen. In solch einem Augenblick könnte dann die Stunde des Wolfgang Clement schlagen. Severin Weiland