„Elfen sind nicht Teil des Glaubenssystems“

■ Skandal zur Hvalfjördargöng-Öffnung: Beim Tunnelbau verzichtete man auf den Segen der Kirche und erklärte dagegen Elfen zu Schutzheiligen. Ein Gespräch mit dem Bischof von Island

Endlich ist der Hvalfjördargöng fertiggestellt: Ein Straßentunnel unter dem Hvalfjördur, der Reykjavik mit der Stadt Akranes verbindet. Damit verkürzt sich die Autofahrt nach Nordisland um gut 50 Kilometer. In Rekordzeit von nur vier Jahren wurde die technische Meisterleistung realisiert. Die Baufirma Spölur, die sich damit rühmen kann, eines der größten Bauprojekte Islands ausgeführt zu haben, hofft nun durch entsprechende Mautgebühren innerhalb der nächsten 15 Jahre die enormen Unkosten wieder einzuspielen. Überschattet wurde die feierliche Einweihung des Tunnels vom Protest des Bischofs von Island, Karl Sigurbjörnsson (51). Die Firma Spölur hatte altisländische Landesgeister – Elfen, Zwerge und Huldufolks – angerufen, die Tunnelfahrer zu schützen. Vertreter der Kirche wurden dagegen zur feierlichen Eröffnung erst gar nicht eingeladen. Unterstützung bekam der Bischof von Halldor Blöndal, dem Verkehrsminister Islands, im Volksmund auch der „Halbautomatische“ genannt. Er behauptet, er habe einen Geistlichen zur Segnung gewünscht, hätte sich aber nicht durchsetzen können: „Die Firma Spölur wollte das nicht.“ Hintergrund ihrer Weigerung ist – so mutmaßt die Tageszeitung „DV“ – ein Zwischenfall vor drei Jahren, als im just fertiggestellten Westfjardagöng unmittelbar nach der kirchlichen Weihe eine Wasserader platzte und großen Schaden anrichtete.

taz: Herr Sigurbjörnsson, Sie haben dagegen protestiert, daß Elfen zum Schutz des neuen Tunnels angerufen wurden.

Karl Sigurbjörnsson: Nun, es gab da einen Kommentar, der für Spölur verfaßt wurde und den ich für unangemessen hielt. Man wollte einen Elfen zum Schutzengel des Straßentunnels machen.

Ja, warum eigentlich nicht?

Ich habe das kritisiert, weil unsere Einwohner nie einen Elfen als Schutzgeist betrachtet haben. Elfen sind Folklore. Sie sind etwas, vor dem man sich in acht nehmen muß. Sie kennen die Geschichten von den Elfen, die in den Steinen leben, nicht wahr?

Ja. Das kenne ich gut, die Elfen in den Steinen.

Und auch, daß sie Menschen in die Steine gezerrt haben?

Ja, schon.

Das ist Folklore, Teil der Folklore. Eine zugegebenermaßen wichtige Sache. Ich habe nichts gegen Folkore, aber ein wichtiger Teil meines Protestes bezog sich darauf, daß Folklore nicht gleich Glauben ist.

Aber es gibt doch die offiziell vom isländischen Staat anerkannte heidnische Glaubensgemeinschaft, die Satruarflagid...

Das ist eine sehr, sehr kleine Gruppe von Leuten in Island.

Wie viele Mitglieder haben die?

Ungefähr hundert.

Und die Bitte um Elfensegnung des Tunnels? Gab es eine Skulptur oder eine Zeremonie?

Nein, es gab wirklich nur eine Informationsbroschüre, mehr nicht.

Dem Wort „faith“, also Glauben, folgt in Englischwörterbüchern unmittelbar das Wort „fairy“, also Elfe...

Seit Generationen können Menschen von Elfen und Trollen erzählen – aber das war nicht Teil des Glaubenssystems. Es war Symbol des Unbekannten und der destruktiven Kämpfe der Natur. Heutzutage täuschen Menschen vor, den Wert von Glaubensstrukturen überblicken zu können. Das ist falsch. Sie bewerten alle Dinge gleich, sogar Folklore und Glauben. Die Menschen neigen dazu, zu glauben, das wäre alles das gleiche.

Sie mischen das sozusagen zusammen. Wissen Sie, wie lang der Tunnel eigentlich ist?

Sechs Kilometer.

Vielen Dank für das Gespräch! Interview: Wolfgang Müller