Kommentar
: Was Lafontaine nicht will

■ Beim Zins-Zwist geht es um Grundsätzliches - und den Euro

Zu Hause hat Oskar Lafontaine wegen seiner Forderung nach Zinssenkungen von der Bundesbank gerade eins auf den Deckel gekriegt, jetzt fängt er in Brüssel damit an. Die Zinsen in der EU müssen runter, sagte er, schließlich gebe es keine Inflationsgefahr. Warum tut er das?

Es dürfte Lafontaine nicht verborgen geblieben sein, daß Zentralbanker nun erst recht auf stur schalten und auf ihre verbriefte Unabhängigkeit pochen. Doch Lafontaine will offensichtlich eine neue Stimmung schaffen. Namentlich die Bundesbank hat der Regierung schon viel zulange ins Handwerk gepfuscht. Die Zentralbank ist für die Stabilität des Geldes zuständig, Wirtschafts- und Finanzpolitik aber sind Sache der gewählten Regierung. Das hat Tietmeyer & Co bisher nicht abgehalten, Bonn ungefragt Ratschläge zu geben. Und weil viele Bürger, vor allem aber viele Wirtschaftsredakteure großer Zeitungen, Technokraten im Zweifel für kompetenter als Politiker halten, ist das für Leute wie Lafontaine unangenehm.

Als Vertreter der Globalsteuerung braucht er Handlungsspielraum, der Zeigefinger aus Frankfurt stört da ganz enorm. Der ständig wiederholte Hinweis, daß die Zentralbanker trotz fehlender Inflationsgefahr auf investitionsfördernde Zinssenkungen verzichten, soll nicht die Unabhängigkeit, sondern die Autorität der künftigen Zentralbank einschränken. Jeder soll sehen, daß die Gralshüter von Mark und künftig Euro für wirtschaftspolitische Fragen zu kurzsichtig sind.

Dahinter steht ein Grundkonflikt. Die Bundesbanker, deren Gedankengut sich auch in der künftigen Europäischen Zentralbank wiederfindet, sehen im Euro immer noch ein Inflationsrisiko. Lafontaine dagegen möchte die Währungsunion nutzbar machen. War es nicht eines der Hauptargumente für den Euro, daß die nationalen Währungen zu klein seien, um sich gegen die Gewalt der Finanzmärkte durchzusetzen? Welche Regierung könne noch über Steuern oder Staatsausgaben reden, ohne Angst vor den Reaktionen an den Börsen haben zu müssen? Eine große Währung, so die Hoffnung, würde die Regierungen in die Lage versetzen, sich dem Diktat der Finanzmärkte zu entziehen.

Noch scheint Lafontaine keine klaren Vorstellungen zu haben, wie die Handlungsräume aussehen, die der Euro politisch eröffnet. Auf keinen Fall aber will er, daß die Zentralbanker sie einschränken, bevor er sie gefunden hat. Alois Berger