Werbistdudennschon

Seit zwei Jahren lebt der algerische Schriftsteller und Journalist Hamid Skif mit seiner Familie in Hamburg. Ein Portät  ■ Von Oliver Eckers

Für einen kurzen Moment wird der charmante Plauderer nachdenklich. „Wenn ich keine Familie hätte, wäre ich jetzt in Algerien und nicht hier. Doch auch wenn man selbst sehr mutig ist, kommt irgendwann der Punkt, an dem man sich fragt, ob man seine Familie dem Leid aussetzen darf.“ Dieser Punkt war für den algerischen Schriftsteller und Journalisten spätestens erreicht, als sein gleichnamiger Cousin an seiner Stelle ermordet wurde. Vier Jahre wurde Hamid Skif tödlich bedroht, entging mehreren Anschlägen und lebte die letzten Monate im Untergrund, bevor er 1996 als Gast der Stifung für politisch Verfolgte nach Hamburg kam.

Schon mit zwölf Jahren veröffentlichte Skif seine ersten Gedichte, mit 18 war er bereits sehr bekannt, durch Übersetzungen auch über die Grenzen seines Landes. „Eins meiner Hauptthemen waren Frauen in Algerien, deren Rolle ich infrage gestellt habe. Das hatte natürlich Konflikte mit dem Regime zur Folge, meine Texte wurden zensiert.“ Zensur gibt es in Algerien seit der Unabhängigkeit 1963. Zudem verfügt der Staat über die Druckereien, das Papier und die Redaktionsräume. Er besitzt die Banken, die Presseagenturen, den Rundfunk und auch den einzigen Fernsehsender. Harte Bedingungen für den Journalismus, in dem Skif seit 25 Jahren tätig ist und versucht, seinen Teil zur Demokratisierung beizutragen.

Er gründete und leitete die Wirtschaftswochenzeitung Pespektives und die „Vereinigung der Journalisten in Algerien“. „Damals, als ich jung und mutig war, hatte ich keine Probleme, den Kampf gegen das Regime aufzunehmen“, konstatiert der Vater von vier Töchtern selbstbewußt lächelnd, der Anfang der 70er Jahre wegen eines Artikels über Folterer zwanzig Tage inhaftiert war. „Wirklich etwas erreichen, kann man nur vor Ort.“ Aber auch wenn er jetzt mit seinen Kindern und seiner Frau in Deutschland lebt, engagiert er sich weiter für die Freiheit in seinem Land: „Ich will als Zeuge sprechen für meine toten Freunde und über mein schwer getroffenes Land Algerien, um ein schon so lang entbehrtes Licht aufleuchten zu lassen: die Freiheit, zu veröffentlichen, gehört und gelesen zu werden.“

Über die aktuelle Situation in Algerien berichtet auch ein Großteil seiner literarischen Arbeit. Doch Denunziationen wie sie beispielsweise der Erzähler der Novelle Die Türen erlebt, erinnern genausogut an die Praktiken der Stasi in der DDR. Nur an die arabisch-afrikanische Blumigkeit der Sprache muß sich das mitteleuropäische Ohr gewöhnen: „Tropfen, dick von Sand, werden auf die Stille fallen, die die Leute panzert.“

Für eine ebenfalls in Deutschland lebende Freundin, die mit rassistischen Anfeindungen zu kämpfen hatte, schrieb er die Fabel vom Krokodil Werbistdudennschon. Dieses Krokodil lebt an einem Fluß, an dem seine Familie schon seit ein paar Jahrhunderten lebt. Als eines Tages ein Kaiman vom Nil kommt, hetzt das Krokodil alle anderen Tiere gegen den Eindringling auf. Später trocknet der Fluß aus, und der Kaiman lädt alle Tiere ein, mit ihm an den Nil zu kommen – jetzt hat natürlich Werbistdudennschon ein ganz gehöriges Problem.

„Ich selbst habe hier noch keine rassistischen Übergriffe erfahren“, erklärt der Autor und fährt achselzuckend fort, „höchstens mal Unfreundlichkeiten.“ Alleine das wundert schon bei dem sehr selbstsicher-staatsmännischen und zugleich äußerst charmanten Auftreten des 47jährigen, der für Hamburg nur Komplimente übrig hat: „Mir gefällt die Atmosphäre hier in jeder Hinsicht, die Stadt hat eine ungemeine Offenheit.“ Inzwischen fühle er sich hier so heimisch wie in seiner Heimatstadt Tipasa, 70 Kilometer westlich von Algier. Dafür läßt Skif ein bißchen nordakfrikanische Poesie in die hanseatische Kälte tropfen.

Um den Verbleib der Familie Skif in Hamburg zu ermöglichen, hat die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte ein Spendenkonto eingerichtet. Telefon: 2984 3444