"Nicht alle Bosnier können zurück"

■ Hans Koschnick, ehemaliger EU-Kommissar von Mostar und Kritiker einer erzwungenen Abschiebung der Flüchtlinge aus Deutschland, über seine Aufgabe als Bosnien-Beauftragter der neuen Regierung

Der frühere Bremer Bürgermeister Hans Koschnick (69) ist gestern vom Kabinett zum neuen Bosnien- Beauftragten der Bundesregierung ernannt worden. Er tritt die Nachfolge von Dietmar Schlee (CDU) an, der das Amt seit Sommer 1997 innehatte.

taz: Hat Sie Ihre Ernennung überrascht?

Koschnick:Ja, nach dem Krach, den Schily und ich früher gelegentlich über die Methoden der Flüchtlingsrückführung hatten, bin ich nicht davon ausgegangen, daß man an mich herantritt.

Was wird sich mit Ihnen in der Rückführungspolitik ändern?

Was ich tun werde, ist nichts anderes als gestern, aber die Akzente werden anders gesetzt werden. Zunächst kommt es darauf an, vor Ort dafür zu sorgen, daß hinreichend Dächer über dem Kopf vorhanden sind. Wir können nicht immer erst rückführen und dann sagen, eines Tages bauen wir.

Müssen auch die Aufnahmechancen für die Flüchtlinge verbreitert werden?

Ja. Wir müssen die europäischen Außenminister dazu drängen, bei den Gesprächen mit Bosnien-Herzegowina Einfluß zu nehmen, daß auch in die Republik Srpska Flüchtlinge zurückkehren können. Aber auch die Förderation muß serbische Flüchtlinge aufnehmen. Das schafft man nicht als Rückkehrbeauftragter. Da muß man öffentlichen Krach machen, damit die Außenminister merken, daß sie gefordert sind.

All das hat Dietmar Schlee, Ihr Vorgänger, auch versucht. Worin werden Sie sich unterscheiden?

Darin, daß ich eine andere Regierung habe als er. Ich hoffe nur, daß ich bei dieser Bundesregierung mit einem Teil meiner Forderungen durchdringen kann. Die erste Forderung ist die massive Förderung des Bauens. Als zweites müssen wir auch mittlere und kleinere Firmen fördern, damit wieder Beschäftigung stattfindet. Und drittens müssen denen, die wirklich aufbauen wollen, die kooperativ sind und Dayton erfüllen wollen, die Mittel zufließen. Den anderen muß konsequent gesagt werden: Ihr kriegt nichts.

Was bedeutet das in bezug auf die Abschiebungen bosnischer Flüchtlinge aus Deutschland?

Die Innenminister werden mich sicher nicht fragen, wenn sie zu Hause abschieben wollen. Aber ich werde mich bemühen, ihnen deutlich zu machen, welche Wirkung das insbesondere in Bosnien- Herzegowina selber hat. Da ich meine Grundposition nicht verändere und die Innenminister wahrscheinlich auch nicht, ist die Frage, ob es dazwischen differenzierte, vernünftige Möglichkeiten gibt. Ich setze darauf, sonst hätten hätten sie mich wohl auch nicht genommen.

Außenminister Fischer hat angeregt, den in Deutschland verbliebenen Flüchtlingen ein sicheres Bleiberecht zu gewähren.

Ich werde auf Fischer zumarschieren und mit ihm darüber sprechen. Das ist eine Position, die ich nicht unbedingt vernünftig finde. Wenn es uns gelingt, daß die Republik Srspka bosnische Flüchtlinge aufnimmt und die Föderation serbische, dann haben wir einen anderen Prozeß. Ob der möglich ist, muß jetzt ausgelotet werden. Aber dieser Prozeß muß am Anfang stehen.

Wird es danach noch Leute geben, die nicht zurückkehren können?

Ja, und für die muß man über ein Bleiberecht nachdenken. Aber ich habe schon früher Flüchtlingsorganisationen gewarnt: Wenn ihr zu früh mit einer solchen Möglichkeit anfangt, dann ist bei der nächsten Krise die Grenze dicht. Die Leute in Deutschland werden verrückt spielen. Die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen muß ein Refugium bleiben und keine Einwanderung. Aber daß von denen, die ein Refugium bekommen haben, einige hierbleiben werden, ist doch wohl ganz klar. Ich kenne eine Reihe von Fällen, wo die Menschen täglich Angst haben müßten, umgebracht zu werden, wenn wir sie zurückschicken würden. Das ist doch kein Weg, den wir akzeptieren können. Interview: Vera Gaserow