Sozialämter können nicht generell zur Kasse bitten

■ Bundesverwaltungsgericht: Bosnische Frau muß keinen Unterhalt für ihren Bruder zahlen

Berlin (taz) – Sozialämter können Freunde und Verwandte von bosnischen Kriegsflüchtlingen nicht generell zur Kasse bitten, wenn durch deren Aufenthalt in Deutschland Kosten entstanden sind. Auch wer sich zuvor gegenüber der Ausländerbehörde verpflichtet hatte, für den Lebensunterhalt der Flüchtlinge aufzukommen, muß nicht bedingunglos haften. Vielmehr müssen die Sozialämter in jedem Einzelfall prüfen, ob eine solche Kostenerstattung zumutbar und verhältnismäßig ist.

Mit diesem Grundsatzurteil hat das Bundesverwaltungsgericht jetzt der Klage einer in München lebenden Frau in vollem Umfang stattgegeben. Unter dem Eindruck der Greueltaten in ihrer Heimat hatte die Frau 1992 eine Verpflichtungserklärung für ihren in Bosnien lebenden Bruder und dessen vierköpfige Familie unterzeichnet.

Für das eine Jahr, in dem ihre Angehörigen auf Sozialhilfe angewiesen waren, bat das Sozialamt München zwei Jahre später zur Kasse: 26.636 Mark sollte die fast mittellose Frau zahlen. Die Verpflichtung sei sittenwidrig, da sich die Unterzeichnerin damals in einer psychischen Zwangslage befunden habe, argumentierten ihre Anwälte, es sei schließlich um das Leben ihrer Familie gegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht sprach die Klägerin jetzt von der gesamten Kostenerstattung frei. In der ersten Entscheidung zu dieser Frage urteilten die höchsten Verwaltungsrichter, grundsätzlich sei eine solche Verpflichtungserklärung zwar zulässig. Allerdings seien die finanziellen Lasten für die Aufnahme der Bosnienflüchtlinge für den einzelnen und die Ausländerbehörde nicht abschätzbar gewesen. Die Behörden hätten die Einreise per Visum gestattet und den Flüchtlingen später auch Duldungen erteilt. Damit trügen staatliche Stellen auch Mitverantwortung für das finanzielle Risiko. Außerdem habe die Allgemeinheit auch für Bosnienflüchtlinge, die ohne Visum eingereist waren, die Kosten für staatliche Fürsorge getragen. Vera Gaserow