„Ich traue mir das Amt zu“

■ Die Hamburger Grüne Antje Radcke will Jürgen Trittin als Sprecherin der Bundespartei nachfolgen

Berlin (taz) – Antje Radcke wartet. Erst wenn die entscheidenden Leute der grünen Linken ihr „breite“ Unterstützung zugesagt haben, will sie offiziell als Nachfolgerin für Jürgen Trittin kandidieren. „Spätestens Montag“ werde sie verkünden, so die Parteisprecherin der Grün-Alternativen Liste (GAL) in Hamburg gestern zur taz, ob sie an der Seite der Reala Gunda Röstel die Bündnisgrünen führen will.

„Ich traue mir das Amt zu“, sagt die 38jährige. „Ich möchte gerade in dieser schwierigen Situation, in der die Grünen sich auf ihre neue Rolle als Regierungspartei einstellen müssen, die Partei stärken.“ Vor allem die Basis müsse in den Wechsel einbezogen werden. „Daß die Basis nicht flötengeht, daran müssen ja auch Trittin und Fischer ein Interesse haben.“

Die Grünen dürften keine Funktionärspartei werden. „Die Konzentration von Macht und Wissen auf wenige Personen ist für unsere Partei ein sehr schädlicher Prozeß.“ Deshalb halte sie auch nichts davon, die Trennung von Amt und Mandat aufzugeben, wie es manche Grüne – auch Linke – jetzt favorisieren.

Zuzutrauen ist ihr die Führungsposition durchaus. Radcke, die gelernte Pädagogin ist und alleinerziehende Mutter zweier Kinder, ist der Shooting-Star der Hamburger GAL. Erst 1992 trat sie wegen des Asylkompromisses aus der SPD aus, bis 1996 war sie Bezirksabgeordnete. Als die ehemalige Bundesparteisprecherin Krista Sager im selben Jahr aus Bonn nach Hamburg zurückkehrte, um für die GAL als Spitzenkandidatin anzutreten, wurde Radcke Landesparteisprecherin. In den Koalitionsverhandlungen mit der machtverwöhnten Hamburger SPD machte sie sich einen Namen als harte, aber undogmatische Politikerin. Vor allem ihr ist es zu verdanken, daß die enttäuschte grüne Basis dem Koalitionsvertrag zustimmte.

Gleichzeitig pflegt sie kein Blatt vor dem Mund nehmen: „Unseren Senatsmitgliedern ist teilweise der grüne Blick verlorengegangen“, bilanzierte sie etwa nach einem knappen Jahr Regierungszeit in Hamburg. Grüne Inhalte müßten im Regierungshandeln sichtbar werden. Ähnlich deutlich würde sie zweifellos auch in Bonn mit den grünen Ministern umgehen. Sie möchte die neue Koalition „kritisch und konstruktiv“ begleiten und vor allem „die Basis stärken“, sagt sie. „In Hamburg habe ich bereits unter Beweis gestellt, daß ich zu meinen Positionen stehe, aber auch integrativ bin und den Laden zusammenhalten kann.“

Radcke ist in ihrer charmanten Direktheit erfrischend uneitel. Sich von einem Gesprächspartner abzuwenden, nur weil gerade jemand Wichtigeres daherkommt, käme ihr im Gegensatz zu anderen Hamburger Spitzen-Grünen nie in den Sinn. Das macht sie der Basis sympathisch.

„Wir brauchen gerade jetzt eine Partei aus einem Guß“, beschreibt Radcke, wo sie auf Bundesebene Akzente setzen würde. Da beide Parteien – anders als in Hamburg – aus der Opposition kommen, könne man „das Regieren gemeinsam lernen“. Denn Rot-Grün gebe zur Zeit „ein diffuses Bild“ ab, vieles laufe „zu unkoordiniert“. Ihr Ton klingt, als krempele sie bereits die Ärmel hoch. Silke Mertins