Zusammenkunft der Schulterklopfer

■ HSV-Vorstand erwartet heutige Mitgliederversammlung gelassen. Der Aufsichtsrat nicht

Pünktlich zur heutigen Jahreshauptversammlung ist beim Hamburger SV alles wieder im Lot. Als hätte eine PR-Agentur die Termine ausbaldowert, reiht sich eine positive Nachricht an die nächste. Rolf Mares ist neuer Vorstandsvorsitzender am Rothenbaum geworden. Der Aufsichtsratsvorsitzende Udo Bandow hat sein Gremium, zumindest bis nach der Sitzung heute abend im CCH, einigermaßen ruhiggestellt. Jürgen Engel, der Ex-Schatzmeister, zahlt seinem Verein 870.000 Mark Provision zurück, die ihm nicht zustanden. Die Vereins-Bilanz, am vergangenen Donnerstag vorgestellt, weist ein Plus von rund 200.000 Mark auf. Roy Präger, zur Zeit noch Stürmer beim VfL Wolfsburg, soll ablösefrei zum Ende der Saison verpflichtet werden. Und zum guten Schluß besiegte die Bundesligamannschaft Mönchengladbach gestern mit 3:0 (siehe Text unten).

So wird der Vorstand um Mares und Werner Hackmann ganz entspannt in die heutige Zusammenkunft gehen. Schließlich können sie, im Gegensatz zum zum glücklosen und untauglichen Dreigestirn Uwe Seeler – Harry Bähre – Volker Lange, einige Erfolge vorweisen. Insbesondere das Engagement, das der Intendant der Komödie Winterhuder Fährhaus in den ersten Wochen seiner Amtszeit als Präsident an den Tag legte, beeindruckt Funktionäre wie Mitglieder. „Mit diesem Mann haben wir erstmals seit langem wieder Kompetenz in der Führung“, so die einhellige Meinung. Große Schwierigkeiten erwarten den Vorstand also nicht.

Alles, was in der Vergangenheit schief lief, läßt sich problemlos als Altlast aus der Seeler-Ära etikettieren, zukünftige Probleme werden sich mit dem Verweis auf den Stadionneubau im Volkspark kaschiert. Grund genug also, sich heute abend ausgiebig auf die Schultern klopfen zu lassen.

Wäre da nicht die Nachwahl zweier Aufsichtsratsmitglieder. Gleich elf Kandidaten bieten sich an; die besten Aussichten haben der ehemalige Präsident Dr. Peter Krohn und der Manager der Fußball-Amateure, Bernd Enge. Beide gelten als Favoriten der Supporters, einer Gruppe fördernder Mitglieder, die gezielt ihren Einfluß im Verein geltend machen.

Mit ihrer Kür könnten sich deshalb die Mehrheitsverhältnisse im Aufsichtsrat verschieben. Bei einer am 10. November von Bandow im Gremium gestellten Vertrauensfrage war mit 5:3 Stimmen bei einer Enthaltung deutlich geworden, wie brüchig seine Basis ist. Weitere Unruhe scheint damit programmiert.

Von dieser Gefahr befreien könnte sich der Club nur mit einem neuen, unverbrauchten Chef im Aufsichtsrat – einem, der diese Funktion bei einem Proficlub tatsächlich versteht.

Eberhard Spohd