Erschütterungen von Körper und Seele

Traumaforscher treffen sich zur internationalen Konferenz in Hamburg  ■ Von Jakob Michelsen

Weltweit waren und sind Menschen vielfältigen Gewalterfahrungen ausgesetzt. Einzigartig bleibt die systematische Vernichtung unter dem Nationalsozialismus. Aber auch Folter durch die chilenische Militärjunta, die „ethnischen Säuberungen“ im ehemaligen Jugoslawien oder tagtäglich prügelnde Ehemänner in West- und Mitteleuropa hinterlassen bei den Opfern Spuren – unter Umständen auch bei den TäterInnen. Die TeilnehmerInnen einer fünftägigen internationalen Konferenz werden sich ab heute in Hamburg mit derart unterschiedlichen Themen befassen.

Dazu eingeladen hat die Arbeitsgruppe „Trauma, Gewalt und Genozid“ am Hamburger Institut für Sozialforschung. Seit 1995 beschäftigen sich hier sieben WissenschaftlerInnen mit den Aspekten traumatischen Erlebens und ihrer Verarbeitung und fördern den wissenschaftlichen Austausch zu diesem Thema. Auf der Konferenz wolle man nicht historisch und kulturell Unvergleichbares in einen Topf werfen, erklärt Cornelia Berens, Literaturwissenschaftlerin und Koordinatorin der Gruppe. Statt dessen gehe es darum, zu „lernen, was sich vergleichen oder übertragen läßt und was nicht“.

Der Begriff „Trauma“ – eine schwere körperliche oder seelische Erschütterung und Verletzung – kann sich sowohl auf einzelne Menschen wie auf Kollektive beziehen. Eine Verbindung zwischen persönlichem Leiden und gesellschaftlichen Verhältnissen sei nach dem Zweiten Weltkrieg in der psychotherapeutischen Arbeit mit Holocaust-Überlebenden deutlich geworden, so Berens. Es habe sich herausgestellt, daß das Verhalten der Umwelt gegenüber den Betroffenen entscheidend sei: Gleichgültigkeit oder Stigmatisierung vervielfachen seelische Verletzungen.

Wichtig ist den OrganisatorInnen des Hamburger Kongresses die Verbindung zwischen Wissenschaft und Praxis. Daher sind sowohl Einrichtungen vertreten, die mit Folteropfern, Kriegsflüchtlingen oder vergewaltigten Frauen arbeiten, als auch WissenschaftlerInnen – wie MedizinerInnen, SozialwissenschaftlerInnen und HistorikerInnen. Gemeinsam sollen sie die Gründung eines Dachverbandes der TraumaforscherInnen vorbereiten. „Durch den Zusammenschluß könnten Forschungslücken festgestellt, Gelder eingeworben und Arbeitsergebnisse zusammengeführt werden“, so Berens.

Denn Traumaforschung ist in den Ländern unterschiedlich stark verankert. In Israel und den Niederlanden wurde sie im Zusammenhang mit der Holocaust-Forschung etabliert. In den USA erhielt sie einen Schub durch die Aufarbeitung des Vietnamkriegs. In Deutschland ist Traumaforschung noch wenig etabliert. Auf der Konferenz werden jedoch unter anderem das Berliner Behandlungszentrum für Folteropfer und die Flüchtlingskinder-Ambulanz am Hamburger UKE vertreten sein. Der weitere Ausbau wäre nicht nur wissenschaftlich wünschenswert, so Berens: Die Aufdeckung der Wechselwirkungen zwischen Einzelschicksalen und der Gesellschaft könne Anstöße zur Vermeidung traumatisierender Verhältnisse geben.

Die Konferenz ist nicht öffentlich, mit Ausnahme von drei Abendvorträgen. Heute: Sören Buus Jensen, „Understanding, Healing, and Prevention. A Mental Health and Human Rights Perspective on Chile, the Former Yugoslavia, and Rwanda“; Mittwoch: Elisabeth Domansky, „Trauma, History and Therapy“; Donnerstag: Bessel van der Kolk, „Memory and the Neurobiology of Trauma“; jeweils 20 Uhr, Post am Stephansplatz.