Wahlrecht für EU-Bürger eine Farce?

■ Im Juni dürfen EU-Ausländer erstmals in Bremen mitwählen, aber nur die Stadtbürgerschaft. Die SPD hat einen Belgier als Kandidaten nominiert. Aber die Regelung ist problematisch.

Wenn im Juni nächsten Jahres die Bürgerschaft gewählt wird, sind erstmals auch 7.900 wahlberechtigte EU-Ausländer, die in Bremen leben, aufgerufen, an der Wahlurne ihre Stimme abzugeben. Seit dem 1. Januar 1996 besitzen sie das aktive und passive kommunale Wahlrecht. In Bremen dürfen sie mitbestimmen, wer als Abgeordneter in der Stadtbürgerschaft sitzt und sich auch selbst ins Stadtparlament wählen lassen. Über die Besetzung des Landtages entscheiden die EU-Bürger dagegen nicht. Eine Regelung, bei der der Teufel im Detail steckt und die an einer Klage vor dem Staatsgerichtshof scheitern könnte.

In Bremen wird bei der Bürgerschaftswahl in einem Urnengang der Landtag und die Stadtbürgerschaft gewählt. Die formale Abwicklung der Wahl ist inzwischen geklärt. Die EU-Ausländer werden automatisch ins Wählerverzeichnis aufgenommen und bekommen vor der Wahl einen grünen Stimmzettel zugeschickt. Auf die Frage, was geschieht, wenn durch die Stimmen der EU-Bürger in der Stadtbürgerschaft andere Mehrheiten entstehen, weiß aber derzeit niemand eine Antwort. Um diese Misere zu vermeiden, hatten SPD und Grüne gefordert, den EU-Bürgern auch das Wahlrecht für den Landtag einzuräumen. Doch das verstößt gegen das Grundgesetz, daß ein Wahlrecht nur für Deutsche vorsieht. Böse Zungen behaupten, in Bremen spekuliere man darauf, daß die Wahlbeteiligung unter den EU-Ausländern so gering ist, daß sie die Mehrheitsverhältnisse nicht beeinflussen. Auch die Bezahlung eines Stadtbürgerschaftsmitgliedes von 840 Mark ist für EU-Bürger nicht gerade ein Anreiz, sich aufstellen zu lassen.

Sollte tatsächlich ein EU-Bürger als Abgeordneter ins Stadtparlament gewählt werden, ergibt sich ein weiteres Problem. Obwohl der Senat auch über die Angelegenheiten der Stadt Bremen entscheidet, dürfte der EU-Stadtbürgerschaftsabgeordnete den Senat nicht mitwählen. Auch das Amt des Bürgermeisters ist ihm verwehrt. Eine Klage vor dem Staatsgerichtshof könnte die Regelung auch in diesem Punkt zu Fall bringen. Die Einheitlichkeit des Mandates ist nicht mehr gewährleistet. Bislang waren die Abgeordneten der Stadtbürgerschaft in Bremen auch Abgeordnete des Landtages.

Ob es tatsächlich einen Kandidaten geben wird, der im Falle seiner Wahl die Regelung mit einer Klage zu Fall bringen könnte, ist derzeit allerdings fraglich. Bislang hat nur die SPD einen EU-Ausländer als Kandidaten für die Wahl im Juni 1999 nominiert. In Bremen-Vegesack wird der Belgier Stefaan Jocobs aufgestellt. Der 46jährige Bankkaufmann ist seit 1987 in der SPD und interessiert sich für wirtschaftspolitische Fragen. Bei der CDU dagegen zeichnet sich noch nicht ab, daß ein EU-Bürger auf der Liste für die Stadtbürgerschaft stehen wird. „Wir sind auf der Suche, ich kann nicht ausschließen, das wir einen finden, ich kann es aber auch nicht garantieren“, sagt Fraktionschef Ronald-Mike Neumeyer. Nicht jeder, der in der Partei aktiv sei, habe „auch Lust, sich auf so eine Liste setzen zu lassen“.

Auch die Grünen sind noch nicht fündig geworden. „Wir suchen“, sagt Dieter Mützelburg, Fraktionssprecher der Grünen. „Wir suchen derzeit nach Migranten – egal ob EU oder nicht. Es ist uns wichtig, daß die Interessen der Nichtdeutschen im Parlament vertreten werden. Aber gefunden haben wir noch niemanden.“

Kerstin Schneider