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Gekittetes Glas

■ Zeitsprünge: Ursendung von Diane Samuels Hörspiel „Kindertransport“

Die neunjährige Eva buchstabiert es dem deutschen Soldaten: J-U-D-E. Damit sie nicht vergißt, wer sie ist. Vierzig Jahre später, ihren Namen hat sie längst in Evelyn geändert, erklärt dieselbe ihrer Tochter Faith lapidar: „Ein gesprungenes Glas kann man nicht kitten.“ Faith ist dem Geheimnis ihrer Herkunft auf die Spur gekommen und konfrontiert ihre Mutter mit der jüdischen Vergangenheit, die Eva/Evelyn verleugnet, um den Schmerz des Verlustes nicht mehr zu fühlen.

Das Hörspiel Kindertransport von Diane Samuels entstand nach dem gleichnamigen preisgekrönten Theaterstück der englischen Autorin, das auf Interviews mit Kindern jüdischer Eltern basiert, die 1938/39 mit den sogenannten „Kindertransporten“ Deutschland verlassen konnten und dem Holocaust entkamen. Thematisiert wird die kollektive und private Erfahrung von Leid, die durch die Angst des Verlassenwerdens entsteht. Auch die Frage nach dem Preis des Überlebens wird gestellt, den Kinder zahlen, die ihre Herkunft, Geschichte und Identität verdrängen.

Regisseurin Ulrike Brinkmann verwebt Vergangenheit und Gegenwart derart miteinander, daß sich das Mutter-Tochter-Gefüge spiegelt. Der gerade Blickwinkel auf den Haß zerfällt durch die Dreiteilung der Protagonistin Eva, die als Kind, Teenager und Erwachsene zu hören ist. Nicht nur die Mutter hat das Gefühl, um etwas betrogen worden zu sein, auch die Tochter fühlt sich ihrer Vergangenheit beraubt. Am Ende jedoch gehen sie versöhnt auseinander – zu geläutert, als daß es glaubhaft wäre.

Iris Drögekamp

Ursendung morgen, 20 Uhr, NDR Radio 3 auf 99,2 MHz.

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