Ein reichlich faules Ei gelegt –betr.: „Schlechter Tag für Schlächter“, taz vom 26. 11. 98

[...] Wo bleibt die Berichterstattung darüber, daß in der Türkei zur Zeit extremster Nationalismus von der Regierung geschürt wird, dem in den letzten Tagen drei Kurden zum Opfer gefallen sind, die von nationalistischen Massen auf offener Straße gelyncht wurden; daß es weit über 2.000 Festnahmen aus den Reihen demokratischer Kurden und der HADEP gegeben hat, daß sämtliche Kreis- und Provinzvorstände der HADEP sowie ihr (vor kurzem erst aus dem Gefängnis entlassener) Vorsitzender, Murat Bozlak, im Zuge einer Festnahmewelle inhaftiert wurden; daß die Samstagsmütter seit August regelmäßig Polizeiübergriffen und Verhaftungen ausgesetzt sind und daß sie aus Sicherheitsgründen am letzten Samstag auf ihren Sitzprotest in Istanbul vor dem Galatasaray-Gymnasium verzichten mußten, da es eine große Demonstration der faschistischen und nationalistischen Organisationen gab, die natürlich nicht mit einem Verbot oder dem Einschreiten der Polizei rechnen mußten, da sie ja für die Fahne und das Vaterland marschierten.

Die Ausgabe des heutigen Tages hat mich sprachlos gemacht (oder auch nicht, denn sonst würde ich ja diesen Brief nicht schreiben). [...] Wenn Ihre Korrespondenten auch ab und zu mal mit VertreterInnen des IHD (Menschenrechtsverein), der TOHAV (Rechtsberatung und Rehabilitation für Folteropfer) oder der TIHV (Türkische Menschenrechtsstiftung) reden würden, wären sie vielleicht in der Lage, über die wahren Schlächter in der Türkei zu schreiben: über die „heldenhafte“ türkische Armee und die Özal Tim's (Spezialeinheiten). [...] Beate Rudolph, Witten

Die Gleichsetzung Öcalans mit Massera, Perisic und Pinochet entbehrt jeder Grundlage. Aus welchen Quellen bezieht die Verfasserin die Information, Öcalan habe „foltern, morden, vertreiben und vergewaltigen“ lassen? [...]

Ich frage mich, ob der Artikel einfach ein gedankenloses Nachplappern der Propaganda türkischer Medien ist oder bewußte Parteinahme. Für objektiv und sachlich halte ich diese Form von Berichterstattung jedenfalls nicht, da die kurdische Seite – Vergewaltigungen, Folter und Morde sowie Verschwindenlassen von Kurdinnen durch den türkischen Staat – unerwähnt bleibt. Christiane Türke, Bad Salzuflen

[...] In alter taz-Manier eine geniale Überschrift, nur habt Ihr aus unerfindlichen Gründen einen Freiheitskämpfer mit drei Schlächtern zusammen abgebildet. Ich will für euch und das (ehemals?) linke Profil der taz hoffen, daß ihr das nicht wirklich gemeint habt. Wie könnt ihr Abdullah Öcalan – mag man nun von der PKK und ihrer Interpretation von Sozialismus halten, was man will – in eine Reihe mit den faschistischen Putschisten (die zudem noch eine sozialistische Regierung gestürzt haben, die doch euren und meinen Vorstellungen einmal hätte entsprechen können) und einem Mörder der jugoslawischen Armee stellen?

Zumindest muß man Öcalan zugute halten, daß er für die Freiheit des kurdischen Volkes kämpft. Über seine Mittel läßt sich vielleicht streiten, aber Pinochet steht bestimmt nicht für die Freiheit des chilenischen Volkes – ganz im Gegenteil! Also, mit diesem Bericht habt ihr ein reichlich faules Ei gelegt. [...] Frank Jessen, Duisburg