Alle Bilder sind schon da

■ Wenn ein Dokumentarfilm dokumentiert, was noch gar nicht passiert ist: "Der 3. Weltkrieg" sieht im Fernsehen aus, als wäre er echt, weil er aus echten Bildern besteht (20.15 Uhr, ZDF)

George Bush blickt ernst. So ernst, wie amerikanische Präsidenten in der Stunde der Entscheidung eben dreinblicken. Ein zweiter Hitler sei das und nichts könne sich die westliche Allianz jetzt weniger leisten als Kompromisse.

Wladimir Soschkin heißt der Mann, der im Frühjahr 1990 den Zorn des US-Präsidenten auf sich zieht. Wenige Monate zuvor, im Oktober 1989, hatte der Sowjetgeneral mit sanfter Gewalt Michail Gorbatschow ersetzt, weil der mit seinem Reformkurs den Fortbestand des Ostblocks gefährdete. Mit Rückendeckung der jetzt in Moskau regierenden Hardliner läßt die DDR-Führung die Leipziger Montagsdemonstranten zusammenschießen. Wie daraus eine Krise um West-Berlin wird, wie die Sowjets unter Soschkin eine Blockade über die Stadt verhängen, wie Bush Kompromißlosigkeit androht und schließlich der Atomkrieg ausbricht, hat das ZDF in einer Koproduktion mit dem US- „Discovery Channel“ und Italiens RAI als „historische Simulation“ durchgespielt.

Daß sich der Weltuntergang stets für ein schaurig-schönes Spektakel eignet, läßt sich alle paar Monate an neuen Kinoproduktionen im Stil von „Deep Impact“ ablesen. Aber auch wenn das Genre ins Politisch-Zeitkritische gewendet wird wie im 80er-Jahre-Atomkriegs-Epos „Der Tag danach“ bleiben die Schöpfer von Endzeitszenarien darauf angewiesen, daß die Zuschauer die Sache einigermaßen großzügig nehmen: Damit der Film seine Wirkung entfalten kann, müssen sie darüber hinwegsehen, daß es sich für alle sichtbar um Fiktion handelt.

„Der Dritte Weltkrieg“ schafft es weithin, eine historische Realität zu inszenieren, die sich nicht als Inszenierung verrät. Der Kniff dabei ist denkbar simpel, verblüffend ist die Perfektion der Umsetzung. Was dem Zuschauer vorgeführt wird, kommt nicht als Spielfilm daher, sondern als Dokumentation – auch wenn die gezeigten Ereignisse nie stattfanden. Die Bilder sind weitgehend historische Aufnahmen, aber neu montiert. Wenn also George Bush ernsten Blickes vor einem zweiten Hitler warnt, so spricht der echte Bush mit echter Stimme – nur stammt die Aufnahme aus den Zeiten des Golfkriegs, und Bush meinte Saddam Hussein, nicht den fiktiven General Soschkin.

Filmisch wie politisch macht dies den „Dritten Weltkrieg“ zu einem ernsthaft beunruhigenden Werk. Er zerfrißt das Vertrauen in die Eindeutigkeit der Bilder – und in die Zwangsläufigkeit der Geschichte. Visuell läßt sich der Weg in den Dritten Weltkrieg erzählen als Collage aus den Stasi-Übergriffen gegen DDR-Demonstranten im Herbst 1989, aus dem Golfkrieg im Januar 1991, dem realen Putsch gegen Gorbatschow im August 1991 und einer Fülle von Militärmanövern – alle Bilder sind schon da. Historisch gesehen bieten die Autoren Ingo Helm und Robert Stone (der auch für Regie und Schnitt verantwortlich war) eine Version der Ereignisse ab 89, die von so subtiler Konsequenz ist, daß sie die Realität an Realitätssinn überbietet. Patrik Schwarz