West-PDS stochert im Einheitsmenü

Den Erfolg bei der Bundestagswahl hat die PDS den Ostdeutschen zu verdanken. In Frankfurt berieten nun westdeutsche Sozialisten und Kommunisten über die Zukunft ihrer Partei in den alten Ländern  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) – Alle sollten sich nun zum „Einheitsessen“ melden, forderte der Versammlungsleiter die 60 Teilnehmer der PDS-Regionalkonferenz Süd am Sonntag in Frankfurt am Main auf. Da wagte es nur ein Genosse aus Bayern, sich nach der Speisenfolge beim „Einheitsessen“ im Haus der Jugend zu erkundigen. Die anwesenden Parteioberen schwiegen. Schlagfertig reagierte allein Wolfgang Gehrcke, einst Frontmann der Hamburger DKP und heute Vizevorsitzender der PDS: „Beim Einheitsmenü weiß man nie, aus was es im Detail besteht; das ist wie bei der PDS.“

Es sollte ein Witz sein. Aber kaum ein Kommunist, respektive ein Sozialist aus den Landesverbänden Bayern, Baden-Württemberg und Hessen der PDS konnte darüber lachen. Zu ernst ist die Lage der Partei in den Flächenländern im Westen auch nach dem Einzug in den Bundestag, den die Wähler der Partei im Osten ermöglicht haben. In Westdeutschland kam die Partei nicht einmal auf ein Prozent. Zu Stagnation oder gar Stimmenverlusten kam es ausgerechnet dort, wo die Parteimitglieder vorher noch glaubten, „megamäßig absahnen“ zu können, wie sich am Sonntag ein Parteimitglied aus Hessen ausdrückte.

Keinen Stich machte die PDS bei den Bundestagswahlen nämlich in den Vierteln der Großstädte im Westen mit ausgeprägten grünen Milieus. So berichteten die Genossen aus Baden-Württemberg von Schlappen in Tübingen und Freiburg. Das habe, so lauteten die Analysen der meisten Genossen, am taktischen Wahlverhalten vieler ihrer eigentlichen Sympathisanten gelegen, die für SPD oder Grüne votiert hätten, um Kohl zu verhindern.

Leichte Zugewinne gab es für die PDS in Arbeitervierteln und in ländlichen Regionen. Daß sich die Partei in den Problemvierteln der Städte im Westen und auch auf dem Land mit den Rechtsradikalen um die Stimmen der Modernisierungsverlierer balgte, themasierte einzig die Schatzmeisterin der Partei aus Baden-Württemberg. Eine Debatte darüber fand nicht statt. Parteivize Gehrcke warnte nur mit Blick auf die Europawahlen im nächsten Jahr vor einer „Gefahr von rechts“ für die PDS, falls sich die Parteien der extremen Rechten zu einem Wahlbündnis zusammenschließen sollten. Stimmen von Protestwählern gingen der PDS dann wohl nicht nur im Westen verloren, mutmaßte Cuma Yagmur aus Frankfurt am Rande der Veranstaltung.

Erfolge für die PDS vermeldeten vor allem die Hessen: 2,5 Prozent in Gießen, 2,5 in Frankfurt. Der Austritt von Fred Gebhardt aus der SPD und seine (parteilose) Kandidatur auf der Landesliste hätten für einen „Sympathieschub“ gesorgt, hieß es.

Positiv konstatieren konnte der angereiste Parteivorstand, daß auch in den Bundesländern im Süden der Republik die Mitgliederzahlen steigen: in Bayern etwa auf derzeit 250. Da es sich dabei nach den Worten des Parteistrategen André Brie vor allem um junge Leuten „ohne politische Vorbildung“ handelt, stellt sich die Frage, wie die PDS sie integrieren kann. Basis- und Jugendarbeit sei das „Gebot der Stunde“ für die PDS in allen Landes- und Regionalverbänden im Westen, verkündet Brie: „Die Jugendlichen müssen an die Partei angebunden werden; und es muß ein Bildungsprogramm für sie konzipiert werden.“ Marx- Schulungen zur Jahrtausendwende? Brie schüttelt den Kopf: Es gehe zunächst nur um die Interessen der Jugendlichen. Sein Vorstandskollege Gehrcke kündigte die Gründung einer Jugendorganisation an – „angebunden an die Partei oder ihr nahestehend“. Und die Einrichtung einer Stiftung, die dann auch „Bildungsseminare“ für neue Mitglieder initiieren könnte. Daneben müsse die Partei in Westdeutschland vor allem mit außerparlamentarischen Bewegungen und den Gewerkschaften zusammenarbeiten.

Und dann erhob Gehrcke wie zu alten DKP-Zeiten mahnend den Zeigefinger: Es sei eine Schande, daß von den rund 400 hessischen PDS-Mitgliedern nur 36 das Neue Deutschland abonniert hätten. Das müsse sich ändern. Die guten Kommunisten, die noch etwas werden wollen in der Partei, lasen dann in der Mittagspause beim „Einheitsessen“ demonstrativ die Einheitszeitung.