Diakonie schafft „Neue Armut“

■ ÖTV kritisiert Tarifabsenkungen in der evangelischen Diakonie

In hochmoralischen Berichten zeigt sich die Kirche über „Neue Armut“ besorgt und appelliert an Arbeit- und Gesetzgeber, das Problem ernst zu nehmen. Dort aber, sagt ÖTV-Sekretär Jürgen Humer, wo kirchliche Institutionen selbst Arbeitgeber sind, in den Bereichen der Diakonie, dort verhalte sie sich genauso wie andere Betriebe. Die neuen Tarife für die untersten Lohngruppen, die für die Diakonie ab 1.9.1998 gelten, bedeuten eine Absenkung des Lohnes um mehr als 30 Prozent. Für diejenigen, die unter den alten Bedingungen eingestellt wurden, soll über Jahre die übliche Steigerung des Lohnes angerechnet werden, bis sie die neue Tarifsumme erreichen. In Bremen sind zehn Prozent der Beschäftigten bei den Betrieben des Diakonischen Werkes von der Tarifabsenkung betroffen, das sind ca. 300 teilzeitbeschäftigte Frauen.

Daß solche Maßnahmen im kirchlichen Bereich möglich sind, macht für den ÖTV-Sekretär nicht nur den kirchlichen Moral-Anspruch unglaubwürdig. Es zeige auch, wie problematisch der Ausschluß der Gewerkschaften als Tarifpartner im kirchlichen Bereich sei. Mit Hinweis auf die christliche und diakonische Tendenz sind Gewerkschaften in den kirchlichen Sozialbetrieben unerwünscht. Während im Diako oder bei der Inneren Mission noch nach Vermittlungsschritten gesucht wird, hätten sich in Friedehorst die „hardliner“ durchgesetzt, kritisierten ÖTV-Vertrauensleute aus den betreffenden Einrichtungen.

Bei den Reha- und Pflege-Anstalten Friedehorst ist Nikolaus Jürgens als für das Personal verantwortlicher Geschäftsführer. „Unsere Fürsorge“, sagt er zu den Vorwürfen, ziele darauf ab, die Beschäftigten aus der untersten Lohngruppe – Wäscherei, Reinigung, Küchenhilfen, Botendienste – zu halten. Bisher hätten die kirchlichen Einrichtungen diese Kräfte erheblich besser bezahlt als Privatfirmen dieselbe Arbeit entgelten. Im Öffentlichen Dienst würden diese Tätigkeiten ausgegliedert, diesen Weg wollten die kirchlichen Einrichtungen nicht gehen. Die Betroffenen behielten den sozialen Schutz der Diakonie, aber ein höherer Lohn sei nicht mehr finanzierbar. Die Kostenträger würden „Druck machen“, die Pflegeversicherung etwa habe eingefrorene Sätze, steigende Kosten müßten aufgefangen werden.

Für den Personalchef sind die Kürzungen ganz unten auch nicht sozial unausgewogen: „In den höheren Einkommensgruppen liegen wir nicht über dem, was sonst gezahlt wird.“ K.W.