■ Die USA wollen keinen Prozeß gegen Pinochet in Spanien
: Der kurze Traum von Gerechtigkeit

Scham war noch nie ein Kriterium der US-Außenpolitik – und ist es auch diesmal nicht. Gerade hat US- Außenministerin Madeleine Albright gefordert, der Position Chiles müsse bei der britischen Entscheidung über eine Auslieferung des chilenischen Ex-Diktators Augusto Pinochet nach Washington Rechnung getragen werden. Das heißt im Klartext: Die Briten sollen Pinochet als freien Mann nach Hause schicken. Gerade aus dem Mund der US-Regierung ist die Forderung nach Respekt vor der Position der chilenischen Regierung blanker Zynismus. Immerhin gab der US- Geheimdienst CIA 1973 die entscheidende Unterstützung, ja ermunterte das chilenische Militär unter Führung Pinochets, die gewählte Regierung des Sozialisten Salvador Allende zu stürzen. Hätten die USA damals soviel Respekt vor der chilenischen Position bewiesen, wäre den Chilenen vieles erspart geblieben. Bis heute hat keine US-Regierung ein Wort der Entschuldigung gefunden.

Eigentlich also haben die USA kein Recht, sich in Sachen Pinochet zu äußern. Das Dumme ist: Sie tun es trotzdem. Und selbst wenn dem britischen Innenminister Jack Straw die Position der Chilenen ziemlich schnurzegal und jedenfalls nicht wichtiger als die 150 britischen Abgeordneten sein sollte, die eine Auslieferung Pinochets fordern, dürfte er die US-Amerikaner sehr ernst nehmen – jedenfalls dann, wenn er nicht völlig anders tickt, als die britische Außenpolitik es sonst tut. Daß der Mörder Pinochet vor Gericht landet, ist seit Albrights Äußerung ein bißchen unwahrscheinlicher geworden. Dazu kommt, daß auch der Druck aus Europa entscheidend nachgelassen hat. Spaniens Regierungschef José Maria Aznar hat betont, die spanischen Prozesse seien allein eine Frage der Justiz. Da hat er recht – aber unterderhand hat auch Spanien schon signalisiert, daß es Pinochet lieber nicht im Lande hätte. Die Schweiz und Frankreich hatten ihre Auslieferungsbegehren dem spanischen untergeordnet, und die deutsche Justizministerin Däubler-Gmelin, die noch kürzlich getönt hatte, sobald die deutschen Verfahren gegen Pinochet soweit gediehen wären, werde auch Deutschland die Auslieferung verlangen, nimmt nach der Öcalan-Entscheidung ohnehin niemand mehr ernst. Wenn Jack Straw außenpolitisch zwei und zwei zusammenzählt, fährt Pinochet am 11. Dezember nach Hause. So könnte, was vor einer Woche mit dem Spruch der britischen Lordrichter als großer Sieg bei der Durchsetzung der Menschenrechte gefeiert wurde, doch mit einem Sieg der guten alten Macht enden. Der kurze Traum von der Gerechtigkeit, die sich auch gegen politische Opportunitäten durchsetzt, wäre vorbei. Bernd Pickert