Aufbau vor Rückgabe

■ Karlsruhe billigt Aufschwung Ost Vorrang vor Ansprüchen jüdischer Erben zu

Freiburg (taz) – Dem „Investitionsvorrang“ beim Aufbau Ost müssen sich auch die Interessen von NS-Opfern unterordnen. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht in einer gestern veröffentlichten Entscheidung. Die gesetzliche Regelung entspreche „wenigstens in ihrer grundsätzlichen Ausgestaltung dem Gerechtigkeitsgebot“, hieß es in dem Beschluß der Kammer, dem Beobachter große wirtschaftliche Bedeutung zumessen.

Gestritten wurde um die Rechte an einem Eisenhüttenwerk, das 1936 arisiert und 1949 zum „volkseigenen Betrieb“ gemacht worden war. Auch nach der Wende im Osten wurde das Unternehmen den zur Familie Rothschild gehörenden Erben nicht zurückgegeben, obwohl das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ ausdrücklich auch für enteignete NS- Opfer galt. Allerdings wurde dieses Prinzip aus wirtschaftlichen Gründen – Vorrang für Investitionen – bei allen Opfergruppen sehr schnell ausgehöhlt. Auch die umstrittene Hütte war von der Treuhand an zwei Investoren verkauft worden, die dort 600 Arbeitsplätze sichern und neu schaffen wollten. Gegen diesen „Investitionsvorrangbescheid“ blieb nun auch die Verfassungsbeschwerde der Erben erfolglos.

Die Kläger hatten sich auf den grundrechtlich verbürgten Gleichheitssatz berufen. Nach dem Vermögensgesetz waren nämlich manche Immobilien in ehemals jüdischem Besitz vom Investitionsvorrang ausgenommen, etwa frühere Synagogen und Friedhöfe sowie Grundstücke der „Liste C“. Diese von der DDR geführte Liste umfaßte Immobilien, die vor allem KZ-Opfern gehörten. Die Kläger machten nun geltend, daß es keinen Grund gebe, Aktionärsrechte anders zu behandeln als Grundstücke. Auch seien ihre Grundstücke zu Unrecht nicht in der Liste C aufgeführt. Das Bundesverfassungsgericht sah allerdings keinen Anlaß zur Korrektur des Vermögensgesetzes. Der Gesetzgeber habe typisierende Regelungen treffen und die Erfordernisse des „Aufschwungs“ im Osten berücksichtigen dürfen. (Az. 1 BvR 179/94) Christian Rath