Schnauze im Wohnzimmer

■ Sie sind sehr unsicher, aber heute kommen sie: „Im Zauberwald der Zwergflußpferde“ (ARD, 20.15 Uhr)

Die riesige feuchte Schnauze schickt sich gerade an, aus dem Fernseher ins Wohnzimmer sich schieben zu wollen. Aber in letzter Sekunde überlegt das Tier es sich anders, wendet sich zur Seite und präsentiert – seinen leberfarbenen, glitschigen, aalglatten Körper. 300 Kilo schwer, knapp zwei Meter lang, 80 Zentimeter hoch. Ähnlich einem Nilpferd, aber gedrungener. Plump fast. Lautlos verschwindet das Tier im Dickicht des Urwalds. Wer filmt so was? Und warum?

Die Heidelberger Tierfilmer Annette und Klaus Scheurich machten sich letztes Jahr zu einer „Expedition ins Tierreich“ auf in den Tai-Urwald in der Elfenbeinküste. Auf einem der letzten Fleckchen Regenwald Westafrikas, das von der systematischen Abholzungspolitik der 60er, 70er und 80er Jahre verschont geblieben ist, suchten sie nach den Spuren der Dickhäuter.

Die werden trotz ihrer Masse Zwergflußpferde genannt und sind ansonsten eine eher unbekannte Spezies. Aus gutem Grund: Das Zwergflußpferd ist ein extrem scheues, eigenbrötlerisches Tier, das zudem niemals in Gruppen auftreten würde. Getarnt vom tropischen Wald, vom Nebel, von Tümpeln und Flüssen, die für Menschen nahezu unerreichbar sind, scheint es unsichtbar durch sein Gebiet zu streifen. Nur im Wasser geraten seine Bewegungen elegant. Seit es 1844 erstmals gesichtet wurde, scheiterten Forschergenerationen an seiner Beobachtung – zumindest in freier Wildbahn.

Mit ihrem Film „Im Zauberwald der Zwergflußpferde“ sind Scheurich & Scheurich nun die ersten Filmaufnahmen von wilden Zwergflußpferden überhaupt gelungen. Doch es ist nicht die Bewunderung dafür, daß es den Tierfilmern trotz Malaria, verrosteter Objektive und anderer widriger Umstände glückte, die Zwergflußpferde vor die Kamera zu locken, die diese Tierbeobachtung so besonders macht.

Das Spektakuläre an diesem Film ist seine Stille. Die kurzen Augenblicke, wenn Regenwürmer zu Akrobaten werden. Das Spiel der Begattungsfüße fingerdicker Tausendfüßler. Oder die Komik, mit der das Langschwanzschuppentier seine Zunge rausstreckt, um Termiten aufzulecken. Und immer wieder unvermittelt zwischendurch die Riesenschnauze des Zwergs. Heike Haarhoff